Glücksboten
Küche übernehmen kann! Wir sollten Mr Grantly bestreiken! Sein Hotel boykottieren! Die Presse hinzuziehen!« Perdita war ebenso empört wie verwundert. Lucas war nach dem Tempo des Lebens in der City süchtig gewesen. Was hatte ihn zu einem derart drastischen Berufswechsel bewogen?
»Ich glaube nicht, dass du es dir leisten kannst, Mr Grantly gegen dich aufzubringen, Kindchen, er ist schließlich einer deiner Hauptkunden«, bemerkte Ronnie. »Und nach allem, was man so hört, ist Enzo ganz glücklich mit der Entwicklung der Dinge. Er war nie so recht aus dem Holz geschnitzt, aus dem man hochkarätige Chefköche macht. Auf sein Konto gehen ein paar ziemlich furchtbare Schnitzer.«
Da Perdita selbst diejenige war, die Ronnie von einigen besonders ergötzlichen Katastrophen Enzos erzählt hatte, konnte sie es schlecht leugnen. Sie errötete allerdings, weil sie das Gefühl hatte, Enzo irgendwie verraten zu haben.
»Du brauchst deswegen gar nicht so ein Gesicht zu machen«, fuhr Ronnie fort. »Enzo ist überglücklich.«
»Wirklich? Woher weißt du das?«
»Er hat mich angerufen, bevor er gegangen ist. Er meinte, er hätte einen sehr guten Schnitt bei der Sache gemacht. Außerdem redet er schon seit Jahren davon, dass er nach Italien zurückkehren will. Das weißt du. Er ist schließlich nicht mehr der Jüngste.«
Perdita wusste es tatsächlich, bezweifelte aber, dass irgendjemand allzu begeistert darüber sein konnte, in einem solchen Tempo vor die Tür gesetzt zu werden.
»Er hat noch gesagt, dass wir ihn alle in Italien besuchen müssen. Er will ein eigenes Lokal eröffnen.«
Perdita nahm einen Schluck von ihrem kaum verflüssigten Zucker. »Also dann mal los. Wie ist denn der Neue so?«
»Hm, du hast ihn gesehen, also erzähle du es mir. Aber nach allem, was man so hört, soll er zum Anbeißen sein. So ein dunkler Typ, ein schwelender Vulkan.« Ronnie warf Perdita einen Seitenblick zu. »Dein Typ ist er also nicht?«
»Ah, nein. Genau genommen kennen wir uns sogar. Sozusagen. Das war vor Jahren, in einem früheren Leben. Er war damals Börsenmakler.« Besser, sie sagte Ronnie selbst, was sie ihn wissen lassen wollte. Ansonsten konnte sie nur hoffen, dass sein sechster Sinn für alte Skandale ihn diesmal im Stich lassen würde. Ronnie konnte selbst die unschuldigste Begegnung zu etwas machen, das in jedem Schundblatt einen Platz gefunden hätte; nicht auszudenken, was er daraus machen würde, wenn er erfuhr, dass sie damals mehr oder weniger durchgebrannt war.
»Und ihr habt euch nicht verstanden?«
»Nein. Er war ein Schwein. Ah ... hat Enzo was über seine Frau erzählt?«
»Wessen Frau? Enzos?«
»Nein! Die von Lucas Gillespie. Als ich ihn kannte, war er verheiratet.« Das immerhin war die Wahrheit.
»Oh? Nun, Enzo hat nicht erwähnt, ob dieser Lucas verheiratet ist oder nicht. Anscheinend wohnt er bei Mr Grantly, bis seine Personalwohnung fertig ist, aber von einer Ehefrau habe ich nichts läuten hören. Wie war sie denn?«
Perdita zögerte nur eine Millisekunde, bevor sie auf die Rolle der Gattin verzichtete und diese Position stattdessen mit der Frau besetzte, um derentwillen sie verlassen worden war. »Hm, ich kannte sie nicht besonders gut.« Perdita hatte die andere Frau im Leben ihres Mannes nur ein einziges Mal gesehen. »Aber sie war älter als ich.« Das war der Gipfel der Kränkung gewesen - Lucas hatte sie allein mit ihrem Spielzeug spielen lassen, während er selbst mit den Erwachsenen auf und davon spaziert war. »Und sehr kultiviert. Dunkelhaarig. Ungeheuer gepflegt.«
»Und sie hast du auch nicht gemocht?«
»Ich kannte sie nicht! Aber sie gab mir das Gefühl, sehr jung und naiv zu sein. Was ich damals ja auch war.«
»Und jetzt bist du wohl eine Dame von Welt, hm?« Er klang skeptisch.
»Naiv bin ich jedenfalls nicht mehr!«
»Doch, bist du wohl. Aber zerbrich dir deswegen nicht den Kopf, es ist ein Teil deines Charmes. Erzähl mir lieber, wie du den verruchten Mr Gillespie kennen gelernt hast?«
»Oh, bei einer Party.« Ronnie schien es ein wenig genauer wissen zu wollen. »Ich hatte gerade erst die Schule hinter mir. Im Grunde kannte ich ihn überhaupt nicht.« Auch das entsprach der Wahrheit. Sie hatten sich kennen gelernt und binnen drei Monaten geheiratet. »Aber diejenige, um die ich mir Sorgen mache, ist Janey. Er wird sie schikanieren, bis sie nur noch ein Nervenbündel ist!«
»Wenn du Lucas Gillespie nicht so gut gekannt hast, woher willst du das dann
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