Glücksboten
entgegnete er, bremste und fuhr vor Perditas Haus vor, »möchtest du, dass ich den Rest der Nacht bei dir bleibe, oder kommst du allein zurecht?« Er zog die Handbremse. »Ich lade mich nicht in dein Bett ein, Perdita, sondern biete nur an, bei dir zu bleiben, falls du das Bedürfnis nach Gesellschaft hast.«
Perdita war schockiert, vor allem deshalb, weil sie tatsächlich Gesellschaft brauchte und ihr der Gedanke, ihr Bett mit Lucas zu teilen, alles andere als unangenehm war. »Nein, nein, ich komme schon zurecht. Wie du weißt, bin ich es gewohnt, allein zu leben«, fügte sie scharf hinzu.
»Ich hoffe, du wirst dich genauso daran gewöhnen, mit Kitty zusammenzuleben, denn irgendjemand wird es tun müssen. Wenn nicht jetzt, dann in nicht allzu ferner Zukunft.«
»Natürlich.«
»Es wird dich allerdings ein wenig einengen, nicht wahr? Wenn du dir einen Lover suchst ...«
»Wenn du das glaubst, kennst du Kitty nicht richtig.«
Sie öffnete die Autotür und kletterte hinaus. Er stieg an seiner Seite aus und ging um den Wagen herum zum Kofferraum.
»Nimm du die Plastiktüten, ich bringe dir die Tasche ins Haus«, meinte er. Dann wartete er, bis sie ihren Schlüssel fand, und folgte ihr hinein. Das Haus war sehr kalt und roch nach Holzasche. »Bist du dir wirklich sicher, dass du allein zurechtkommst?«
»O ja. Ich fülle mir eine Wärmflasche und trinke ein Glas heiße Milch mit einem Schuss Brandy und werde im Nu eingeschlafen sein.« Lucas musterte sie eindringlich. Offensichtlich hatte sie ihn nicht überzeugt. »Wirklich, Lucas. Es ist alles in Ordnung.«
»Also gut«, sagte er schließlich. »Ich nehme dein Wort darauf. Nicht weil ich dir glaube. Allerdings denke ich nicht, dass du mich nicht hier haben möchtest.«
»Nein, wirklich ... wirklich, ich komme klar.« Und sie hätte ihn tatsächlich gern dabehalten, obwohl sie eher gestorben wäre, als das zuzugeben.
»Dann mache ich mich jetzt mal auf den Weg.«
Perdita setzte ihre Plastiktüten ab. »Ich kann dir wirklich nicht genug danken, Lucas ...«
»Und bitte, tu es auch nicht mehr, sonst sterbe ich noch vor Langeweile. Nimm mich stattdessen in den Arm.«
Es war nicht schwer, auf ihn zuzugehen und die Arme um seine hoch gewachsene Gestalt zu schlingen, die durch seinen schweren Mantel seltsam unförmig erschien. Seine Arme um ihre Taille waren sehr stark, und er hielt sie sehr lange sehr fest. Perdita spürte, wie ein Teil der Anspannung von ihrem Körper abfiel und in die Wärme des seinen eintrat. Nach einer Weile entwand sie sich seiner Umarmung.
Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. »Gute Nacht, Perdita. Wir sehen uns dann in den nächsten Tagen. Und bitte, um unser aller Seelenfrieden willen, schaff dir ein Handy an.«
Sie sah ihm nach, wie er zu seinem Wagen zurückging, während sie an ihrem Fenster stand. Dann zog sie die Vorhänge zu. Er hatte sie um ihretwillen umarmt, nicht um seinetwillen, das wusste sie. Und es hatte tatsächlich geholfen.
Perdita brauchte in dieser Nacht eine Ewigkeit, um einzuschlafen. Sie hatte ihre Wärmflasche sowie ihre Heizdecke in Shropshire vergessen, und das Haus war seit Tagen ungeheizt, sodass sie furchtbar fror. Und obwohl sie noch H-Milch vorrätig hatte, war nur noch gerade so viel Brandy da, um der Milch einen Hauch von Geschmack zu geben, mehr nicht.
Perdita wickelte die Füße in einen Mohairschal, und nach einer Weile wurde ihr endlich etwas wärmer, aber was ihr das Einschlafen so schwer machte, war das Wissen, dass ihr Lucas keineswegs gleichgültig war. Sie war natürlich nicht in ihn verliebt, was sie für ihn empfand, war nicht einmal eine Schwärmerei wie im Falle der armen Janey, aber sie war doch dankbar für seine Anwesenheit gewesen, und seine Arme um ihren Körper waren mehr gewesen als nur ein Trost. Sie hatten sich genau richtig angefühlt, so, als könnten keine anderen Arme diesen Zweck erfüllen.
Was natürlich Blödsinn war. Es lag nur daran, dass sie so lange keinen Mann mehr gehabt hatte - sie verdrängte die Worte »seit Lucas« entschieden aus ihren Gedanken - und weil sie so aufgewühlt wegen Kitty gewesen war, dass sie dringend ein wenig menschliche Wärme gebraucht hatte. Und obwohl sie nach Kräften versuchte, nicht daran zu denken, waren ihr gewisse Tatsachen doch nur allzu bewusst: Es mochte Kitty zwar besser gehen, aber sie war sehr alt, und sie würde sterben, wahrscheinlich sogar recht bald.
Perdita hatte dieser Tatsache immer ins Auge gesehen, wenn
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