Glücksboten
nicht mit Gleichmut, so doch mit dem Gefühl, es akzeptieren zu können. Schließlich konnte sie nicht viel dagegen tun. Aber Lucas' Umarmung zeigte ihr, wie überaus tröstlich ein Gefährte sein konnte - ein männlicher Gefährte, der einen umarmen und seinerseits umarmt werden konnte.
Allerdings würde sie Lucas ihr Herz nicht noch einmal überlassen, damit er es in Fetzen reißen konnte wie den Scheck, den er ihr zurückgegeben hatte. Das hatte sie mit achtzehn getan, und das Herz hatte lange gebraucht, um wieder zusammenzuwachsen - zu lange, als dass sie es mit neunundzwanzig noch einmal wiederholt hätte. Es war wirklich sehr nett von Lucas gewesen, sie aus Shropshire abzuholen, aber seinem Wesen nach war er ein grausamer Mensch. Nur eine echte Masochistin würde ihn noch einmal nah an sich heranlassen.
Nein, sie wünschte sich jemanden, der immer gütig sein würde. Natürlich würde sie Dinge wie Aussehen, Sexappeal und Dynamik opfern müssen, aber was sie wollte, war sanfte Kameradschaft, nicht der Übelkeit erregende freie Fall der Leidenschaft. Definitiv nicht.
Während der Schlaf sich langsam ihrer bemächtigte, flüchteten ihre Gedanken aus den Schranken der Vernunft, und sie grübelte über Lucas' provokative Bemerkungen nach, über seine Andeutung, dass er sie immer noch haben wolle. Warum sprach er so mit ihr? War es pure Grausamkeit? Irgendwie schien ihr das nicht länger wahrscheinlich zu sein. Bestimmt, ging es ihr eine Sekunde, bevor sie einschlief, durch den Kopf, bestimmt, weil er in Wirklichkeit Janey will, weil er weiß, dass er es nicht dazu kommen lassen darf und weil ich eine ältere Version von Janey bin.
Die gleichen Gedanken kamen ihr am Morgen beim Zähneputzen wieder. Sie errötete angesichts ihrer absoluten Idiotie. Lucas wollte weder sie noch Janey, er wollte lediglich drei goldene Sternchen - oder was immer es war - für seine Kocherei. Sie kicherte und spuckte dann die Zahnpasta aus. Vielleicht sollte sie ihm ein ganzes Päckchen Sterne kaufen. Man konnte sie im Postamt bekommen.
Kapitel 9
D a Weihnachten auf das Wochenende fiel, galt der darauf folgende Montag, an dem Perdita ohne etwas zu essen, ohne Wärmflasche und einsam dastand, als Bankfeiertag. Glücklicherweise schaffte es ihr Lieferwagen bis in die nächste Stadt, und nach einer langen Irrfahrt durch leere Straßen fand sie eine Apotheke, die Notdienst hatte. Sie kaufte sich eine neue Wärmflasche - weil Weihnachten war und sie allein war, sogar eine mit einem Bezug aus Fell.
Später fuhr sie zu Kittys Haus, öffnete die Tür, stibitzte eine Flasche Brandy und plünderte den Kühlschrank. Mit Letzterem wollte sie nicht nur verhindern, dass sie die Hülsenfrüchte verspeisen musste, die sie eigentlich keimen lassen und einpflanzen wollte, sondern sie konnte auf diese Weise auch einige der uralten Päckchen und Töpfe entsorgen, die Kittys Kühlschrank bevölkerten. Kittys Putzfrau durfte dem Kühlschrank nicht nah kommen, weil sie gerechtfertigte Einwände gegen Lebensmittel hatte, deren Verfallsdatum weit überschritten war. Perdita war definitiv auf Seiten der Putzfrau, aber da Kitty es in ihrem ganzen Leben niemals am Magen gehabt hatte, konnte man ihr noch so viel von Salmonellen, Ptomainen oder anderen tödlichen Krankheiten erzählen. Perdita musste also ihr gutes Werk im Verborgenen verrichten und die überalterten Lebensmittel aus der Küche entfernen, wann immer sich ihr die Gelegenheit bot.
Dann unterzog sie die Pflanzen im Haus einer Musterung und sah, dass Kittys Amaryllis kurz vor der Blüte stand. Sie gestattete sich ein paar Sekunden des Kummers, dass Kitty nicht rechtzeitig zu Hause sein würde, um die Pracht zu genießen, dann ging sie von Zimmer zu Zimmer, überprüfte die Samentöpfchen auf den Fensterbänken und dachte, wie leer das Haus war und doch gleichzeitig immer noch so voll von Kitty. Würde es sich so ähnlich anfühlen, wenn Kitty tot war und nicht nur für ein paar Tage fort? Wie lange haftete das Wesen eines Menschen seinen Besitztümern an? Kittys Tod war nicht länger etwas, das Perdita einfach verdrängen konnte. Sie musste sich der Möglichkeit stellen.
Schlimmer als der Tod war, von Kittys Standpunkt aus gesehen, die Möglichkeit, Invalide und abhängig von anderen zu werden. Und der Gipfel des Elends wäre dann ein Altenheim. Kitty hatte Perdita oft erklärt, was sie von ihr erwartete, falls ein solches Schicksal wahrscheinlich erschien: Perdita sollte die notwendige Menge
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