Glückskekse
Manteltasche.
„Hier, du Held. Wenn du hier mal Lust hast, um die Häuser zu ziehen oder einfach nur quatschen willst … ruf einfach an. Mein Mann und ich, wir würden uns freuen.“
Mit einem frechen Grinsen stellt er sich auf die Zehenspitzen und drückt mir einen dicken Schmatzer auf die Wange.
Völlig perplex stehe ich mitten auf dem Bahnstieg, mit zwei mir fremden Kindern im Arm und schaue, wie er winkend wieder im Zug verschwindet.
Eines hat er mit seinem „Überfall“ allerdings geschafft. Der kleine Schreihals ist auf einmal leise und streicht ganz sanft über meine Wange. Ich bin gerührt von dieser kleinen Geste und als er mir dann auch noch einen ziemlich feuchten Kuss auf dieselbe Stelle gibt, kommen mir fast die Tränen.
So bin ich froh, dass die Mutter mich von den beiden befreit. In einer mir fremden Sprache redet sie auf mich ein. Da ich sie nicht verstehen kann, lächle ich sie etwas unsicher an und zucke entschuldigend mit den Schultern.
Auf einmal kommt ein ziemliches Muskelpaket auf uns zu.
„Newenka“, ruft er und die Frau dreht sich strahlend zu ihm um, und fällt ihm mit einem „Boris“ um Hals.
Als er die beiden Kinder in die Arme nimmt, redet diese Newenka in einer Geschwindigkeit mit ihm, die mindestens dreimal so schnell ist, als bei mir vorhin.
Immer wieder zeigt sie zu mir und als Boris verärgert die Stirn in Falten legt, bekomme ich es etwas mit der Angst zu tun. Der Mann sieht so aus, als könnte er mit der bloßen Hand einen Bären erschlagen.
Ich denke mal, es ist an der Zeit, dass ich mich so langsam aus dem Staub mache. Bevor ich jedoch auch nur einen Schritt in Richtung Ausgang machen kann, spüre ich eine große Pranke auf meiner Schulter, die mich ein wenig einsacken lässt.
„Nicht so schnell, mein Freundchen“, brummt er mit einer sehr tiefen Stimme und dreht mich zu sich um. Vorsichtig blicke ich ihn an und muss verwundert feststellen, dass ein Lächeln auf seinen Lippen liegt.
„Meine Frau hat mir erzählt, wie sehr du ihr geholfen hast. Und dass du es geschafft hast, dass unser kleiner Andrej hier aufgehört hat zu schreien. Wie können wir dir nur dafür danken?“, fragt er mich in einem einwandfreien Deutsch.
„Gar nicht“, wiegele ich ab und bin im Stillen froh, dass das hier alles anscheinend glimpflich für mich ausgeht, „ich hab es gerne gemacht. Außerdem sind die beiden doch total süß. Ich freue mich, dass ich helfen konnte.“ Lächelnd streiche ich ihnen noch einmal über den Kopf.
„Ja, sie sind die reinsten Engel, unsere Natascha und unser Andrej, wenn sie nicht schreien oder Blödsinn anstellen. Denn eigentlich haben sie es faustdick hinter den Ohren“, meint Boris mit gequältem Gesicht. „Wir müssen leider los. Ich steh nämlich im Halteverbot, deshalb war ich auch vorhin so spät. Aber wenn ich dir irgendwo mal helfen kann …“, und schon wird die zweite Visitenkarte am heutigen Tag zugesteckt.
„Danke noch mal“, klopft Boris mir, diesmal etwas vorsichtiger, auf die Schulter, schnappt sich Natascha und Andrej und setzt die beiden in den Wagen. Die drei Taschen klemmt er sich mit einer Leichtigkeit unter die Arme. Von seiner Frau erhalte ich noch ein dankbares Lächeln und schon sind die Vier in der Menge verschwunden.
Eine gute halbe Stunde später werde ich von Opa in die Arme geschlossen während Bobby, die Mischlingshündin, freudig an mir hochspringt.
„Hallo mein Junge, schön, dass du uns mal wieder besuchen kommst.“ Etwas verwundert schaut er sich um. „Hast du kein Gepäck dabei?“
„Ich bin auch froh, hier zu sein. Hab euch ganz schön vermisst. Ja … dich auch meine Gute“, wusele ich der Hündin durchs Fell.
„Na, dann kommt mal ihr beiden. Oma wartet schon. Sie will ihren Kleinen endlich in die Arme schließen. Wobei ich glaube, dass sie dafür langsam einen Tritt braucht“, grinst er verschmitzt und sagt nichts dazu, dass ich auf seine Frage nach dem Gepäck nicht geantwortet habe.
Die Fahrt zu dem Häuschen dauert knapp fünfzehn Minuten. Keiner von uns sagt ein Wort. Doch es ist eine angenehme Stille.
Es macht Spaß, von Opa durch die Gegend chauffiert zu werden. Besonders in solch einem Wagen. Einen Mercedes Strich 8, den er vor etlichen Jahren als ziemlichen Schrotthaufen von einem damaligen Nachbarn gekauft und dann in mühevoller Kleinstarbeit restauriert hat. Die mitternachtsblaue Metalliclackierung und die beigen Ledersitze haben aus dem ehemaligen Schandflecken ein wahres
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