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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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überwindet. – Und da ist sie wieder, die ewige Hoffnung! Das Paradies der Toten ist in den Köpfen der Lebenden.
    Das Streben nach der Unsterblichkeit scheint untrennbar zum Menschen zu gehören, wie die Angst vor dem Nichts. Jede Generation denkt sich die Hoffnung zurecht mit den kulturellen Mitteln, die gerade im Trend sind. Die Vorstellung von der Himmelfahrt, wie Jesus Christus sie uns vorgemacht hat, die Vorstellung von der Wiedergeburt, von ruhelosen Geistern oder eben Hightech. Bisher jedenfalls sind wir nicht sicher. Sicher ist nur, dass diese Hoffnung der Treibsatz für fast alle Religionen der Menschheitsgeschichte ist.
    Es ist schwer zu entscheiden, ob wir ablösbare Seelen haben oder fest mit dem Körper verbundene. Unsere bisher gesammelten Daten deuten darauf hin, dass das Leben vor dem Tod stark davon abhängt, was in unserem Nervensystem so vor sich geht. Und wenn wir nicht religiös sind, selbst Kontakt zu den Geistern der Toten hatten oder gehabt zu haben glauben, oder Menschen glauben, die behaupten, |126| Kontakt gehabt zu haben, so gibt es trotzdem bislang keinen vernünftigen Grund, ein Leben nach dem Tod als sicher gegeben anzunehmen.
    Es gibt ein Leben vor dem Tod!
    Reicht das aber, um anders herum zu glauben, dass es kein ewiges Leben gibt? Hier ist Ihre eigene Antwort gefragt. Ich wundere mich nur, für wie selbstverständlich die meisten ein Leben nach dem Tod halten. Zumindest verrät das etwas über ihre Einstellung zum Leben vor dem Tod. Denn wenn das Leben nach dem Tod in Reichweite scheint, verliert das Leben vor dem Tod an Dringlichkeit. Es gibt ein Leben vor dem Tod!
    Wie die Zeit vergeht!
    Die Dringlichkeit zu leben, nimmt von der Wiege bis zur Bahre bei den meisten von uns immer weiter ab. Sie nimmt ab, weil wir unsere Zeit immer weniger füllen, weil sie immer leerer wird. Und wir nehmen diese Entleerung wahr als zunehmende Beschleunigung unserer Zeit. »Schon wieder Geburtstag, schon wieder Silvester?« Wir erleben den Lauf der Zeit wie einen Fluss, der auf dem Weg zur Mündung immer reißender wird. Woran liegt das?
    Je älter wir werden, umso erfahrener werden wir. Zum Beispiel beim Autofahren. Obwohl ich in meinem Leben bisher sicher mehr als 1 Million Kilometer mit dem Auto zurückgelegt habe, erinnere ich mich noch genau an meine erste Fahrstunde. Anlassen, Gang einlegen, Kupplung kommen lassen, Gas geben, beinahe die Telefonzelle rammen, ich spüre fast noch, wie viel Mühe die Koordination gemacht hat und wie aufmerksam ich jeden täppischen Handgriff, jeden Tritt aufs Pedal und jeden unsicheren Schulterblick ausgeführt habe.
    Nach kurzer Zeit aber sind Vorgänge so eingeübt, dass sie unsere bewusste Aufmerksamkeit nicht mehr erfordern. Was wir aber so automatisiert tun, hinterlässt kaum noch Spuren in unserer Zeitwahrnehmung. Wenn ich von Zürich nach Frankfurt fahre, erinnere ich mich nicht mehr daran, wie oft ich geschaltet habe. Oder wie |127| viele Pylonen in der Baustelle bei Heilbronn standen. An die Zahl der Bremsvorgänge oder wie oft ich den Scheibenwischer angeschaltet habe. Ich erinnere mich an das Lächeln der hübschen Bedienung, die mir in der Raststätte Hegau Nord eine Coke Zero abkassiert hat. Und daran, dass ich beim Fahren daran gedacht habe, dass ich in meinem Schlafzimmer mal die Glühbirne auswechseln muss. Lächeln, Glühbirne. Sechs Stunden Fahrt sind auf zwei Erinnerungen zusammengeschrumpft.
    »Je älter wir werden, desto mehr wird zur Routine. Dadurch kommt es uns so vor, als würde die Zeit schneller vergehen«, sagt der Dr. Martin Held. Er ist Studienleiter an der Evangelischen Akademie in Tutzing. Hier erforscht er die Ökonomie der Zeit und ihre Veränderung mit zunehmendem Alter. Kinder beispielsweise haben ein ganz anderes Zeitempfinden als ein 60-Jähriger, weil Kinder jeden Tag Neues entdecken und ständig Unbekanntes verarbeiten müssen. Jeder Augenblick erfordert enorme Präsenz. Deshalb nehmen Kinder die Zeit intensiver wahr. Jeder Tag scheint ewig lang und voller Eindrücke zu sein.
    Wir wissen ja heute schon, wie unsere Geburtstagsfeier in zehn oder zwanzig Jahren aussieht: genauso wie heute, nur mit Stock.
    Man könnte auch sagen: Kinder erleben jeden Tag irgendein erstes Mal. Die ersten Gummistiefel, der erste Tag im Kindergarten, das erste Mal einen Zopf geflochten bekommen, der erste Schultag, das erste Mal ein Tor geschossen, die erste Klassenarbeit, das erste Mal auf einem Berggipfel, der erste Eintrag in einem

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