Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
über eine Kuhweide, und zack – für einen Sekundenbruchteil jagen tödliche 300 000 Ampere durch Ihren Körper, und es läuft der berühmte Film vor Ihrem inneren Auge ab. Eine 10 bedeutet, dass Sie in diesem Moment dankbar und glücklich von dieser Erde gehen und etwas Ähnliches denken wie: »Na, gut. Jeder andere Moment ist so gut wie dieser hier. Schade, dass es schon vorbei ist, aber ich habe nichts verpasst, nichts ausgelassen, habe meine Träume gelebt und bin dankbar für ein erfülltes Leben. Ciao!« Eine 0 heißt: »Blitz? Oh! Mist! Ist grad blöd, ich wollte doch noch …«
Na gut, das ist schon ein wenig sarkastisch, ich will vor allem keinem der zwischen 30 und 50 Menschen zu nahe treten, die in Deutschland pro Jahr vom Blitz getroffen werden. Oder deren Angehörigen. Aber Sie verstehen, worauf ich hinaus will – das ist meine Frage an Sie: Haben Sie sich abgefunden? Haben Sie für Ihr Leben Kompromisse geschlossen? Leben Sie in Umständen, die Sie gar nicht wollen?
Wie viele Dinge finden Sie gut, nicht weil sie gut sind, sondern weil Sie sich und anderen sagen, dass sie gut sind?
Hierbei geht es nicht darum, dass Sie sofort Ihre Arbeit hinschmeißen und kündigen vor lauter Unglück. Wobei auch das manchmal sinnvoll ist. Aber es kann auch sein, dass Sie einfach aufgegeben haben, Ihre Ideen durchzusetzen, Ihre großen Projekte zu realisieren und eben den Biss zu haben, den Sie haben sollten, um Ihre Abteilung, |122| Ihre Firma, Ihre Familie oder was auch immer dahin zu bringen, wo Sie sie eigentlich hinhaben wollen. Und Ihre Partnerschaft? Womit haben Sie sich arrangiert? Wie viele Dinge finden Sie gut, nicht weil sie gut sind, sondern weil Sie sich und anderen sagen, dass sie gut sind?
Wo also stehen Sie? Eigentlich schon gestorben, nur noch nicht beerdigt? Viele sind mit 30 gestorben und werden mit 70 beerdigt. Was haben die die letzten 40 Jahre gemacht? – Da Sie dieses Buch lesen, sind Sie auf der Skala zwischen 0 und 10 noch nicht ganz unten angekommen, vermute ich. Aber was, wenn die Frage in der Stunde Ihres Todes eines möglichst fernen Tages lautet: »Scheibenkleister! Was um Himmels willen habe ich die letzten 40 Jahre nur gemacht?« Was also wollen Sie getan haben, bevor Sie abtreten, bevor der Blitz Sie trifft?
Haben Sie genug Länder gesehen? Haben Sie genug Reisen unternommen? Haben Sie genug Menschen geholfen? Haben Sie genug geliebt? Durften genug Menschen Sie lieben? Es geht nicht um Quantität oder Qualität, es geht um gar nichts von dem, was ich hier erzähle. Es geht nur um Sie und das, was Sie wollen, was immer es ist. Haben Sie in Ihrem Leben genug getanzt, genug Spaß gehabt? Haben Sie genug Menschen in den Tod begleiten dürfen? Haben Sie genug Geld verdient, genügend Neid bekommen, genügend Spott erhalten und sind Sie genügend belächelt worden? Oder an welcher Stelle haben Sie aufgehört? An der, wo es dann schon ganz okay war, oder an der, wo Sie wirklich gespürt haben, dass Sie mit Leidenschaft alles getan haben, was in Ihrer Macht stand? Haben Sie den Job, den Sie unbedingt haben wollten, oder nur den, den Sie bekommen haben? Haben Sie den Partner, den Sie unbedingt haben wollten, oder den, den Sie bekommen haben? Haben Sie das Leben, das Sie unbedingt haben wollten, oder das, das Sie bekommen haben?
Welche Zahl haben Sie sich bei Ihrer Traumerfüllung gegeben? Eine 10 oder eine 1? Was ist, wenn Sie sich keine 1 gegeben haben, |123| sondern eine 2 oder eine 3, eine 5, eine 7 oder gar eine 8? Aber reicht Ihnen eine 8? Was werden Sie Gott oder wem auch immer antworten, wenn er die Augenbraue hebt und fragt: »Eine 8? Warum nur 8?« Antworten Sie dann vielleicht »Sorry, mehr war nicht drin, aber ist doch schon besser als der Durchschnitt, oder …?«
Dass Menschen kurz vor ihrem Tod Reue empfinden, ist allgemein bekannt. Doch sie bereuen nicht, was sie getan haben. Ganz im Gegenteil, sie bereuen, was sie nicht getan haben. Sie sprechen von Chancen, die sie ungenutzt verstreichen ließen. Sie bedauern, bestimmte Gelegenheiten nicht ergriffen zu haben. Sie wünschen sich, noch einmal in dieser oder jener Situation zu sein, um eine Chance wahrzunehmen oder ein Wagnis einzugehen.
Stell dir vor, du wärst tot
Die Reise des Lebens schließt den Tod mit ein.
Nichts ist so sicher, wie dass sie kommt, die letzte Sekunde. Dass uns der Schlag trifft oder der Blitz oder der Blumentopf aus dem 15. Stock. Dass uns der Bär frisst oder der Krebs, dass wir ersaufen,
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