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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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dann würden sie …, aber dann musste erst noch der Kredit abbezahlt werden, bevor …, wenn das Haus aber eines Tages bezahlt ist, dann …, es wird sich doch mal eine Gelegenheit ergeben, um …, und wenn endlich |132| dies oder jenes erledigt ist, werden sie … Doch das große Finale bleibt aus. Am Grab spricht nur der Vizepräsident des Schützenvereins. Sie gehen nicht mit Pauken und Trompeten. Denn sie sind bereits ihr ganzes Leben lang gestorben. Leise, still und stets voller Hoffnung.
    Zufrieden unglücklich – unzufrieden glücklich
    Die Sowjets stehen in Ostpreußen und die Amerikaner am Rhein, als im Jahr 1944 zwei Männer geboren werden, die ihr Leben keineswegs voller Hoffnung, aber tatenlos an sich vorbeiziehen ließen. Ganz im Gegenteil, beide machten ihr Ding, wie man heute sagt, beide haben in der gleichen Branche große Unternehmen aufgebaut. Beide haben heute ein vergleichbar großes Privatvermögen angehäuft. Der eine liegt mit geschätzten 3,2 Milliarden Euro auf Platz 25 der aktuellen
Forbes
-Liste der reichsten Deutschen. Das
manager magazin
schätzte das Vermögen des anderen zuletzt auf 1,1 Milliarden Euro. Doch bei allen Gemeinsamkeiten – ihre Wege könnten trotzdem verschiedener nicht sein. Die Rede ist von Götz Werner und Anton Schlecker. Der eine Gründer der dm- und der andere Gründer der Schlecker-Drogeriemärkte.
    Werner und Schlecker sind holzschnittartig betrachtet krasse Gegenentwürfe. Invertiert wie die Abermillionen Negative und Fotoabzüge, die zwei Generationen Deutsche in den Filialen der beiden Drogerieketten haben entwickeln lassen. Die beiden Gründer mit ihren Lebenswerken tragen die zwei Gesichter Deutschlands. Auf der einen Seite Kreativität, Respekt und Verantwortungsgefühl, auf der anderen Willkür, Misstrauen und Herrscheranspruch. Die Claims, der Leitspruch der Unternehmen, sprechen Klartext: »Hier bin ich Mensch, hier kauf’ ich ein«, denkt und dichtet dm. »Die Nr. 1 in Europa« schickt Schlecker ins Feld wie die Wehrmacht.
    Götz Werners entschieden unautoritärer Managementstil der »dialogischen Führung«, beruht auf Verständnis. Dialog geht immer vor Anweisung, der Unternehmensphilosoph baut auf Persönlichkeitsentwicklung. In seinen Mitarbeitern sieht er keine Kostenstellen, |133| sondern Kreativposten. Und beteiligt sie am Erfolg. Diese Art seiner Führung erfuhr schnell bundesweit Aufmerksamkeit.
    Die erreichte auch Schlecker, als er nach jahrelangem Prozess 1998 per Strafbefehl durch das Stuttgarter Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von 1 Million Euro verurteilt wurde. Diktatorisch war der Belegschaft vorgetäuscht worden, sie würden nach Tarif bezahlt. Tatsächlich lagen die Löhne weit darunter, was das Gericht als Betrug wertete.
    Es ist nicht der Erfolg, der sie unterscheidet, den haben beide. Es ist der Sinn, den sie gemacht haben. Gemacht. Die Amerikaner sagen »to make sense«, das finde ich deutlich treffender als das deutsche »einen Sinn ergeben«. Wenn ich die Wahl hätte, als Anton Schlecker zu sterben oder als Götz Werner, muss ich nicht überlegen. In meiner Vorstellung ist es klar, wer von beiden in der letzten Stunde glücklicher ist mit seinem Lebenswerk. Aber vielleicht täusche ich mich ja.
    Jedenfalls ist der allgemeine Hang dazu, Glück und Zufriedenheit gleichzusetzen, ein grandioser Irrtum.
    Spannender noch ist die spekulative Frage, welcher von beiden zufriedener mit seinem Leben sein wird. Das kann keiner wissen, aber es könnte sein, dass einer, der mit seinem Werk nicht glücklich wurde, doch zumindest große Zufriedenheit über seinen Erfolg verspürt. Und dass der Glückliche seine Unzufriedenheit behalten hat, die ihn Zeit seines Lebens angetrieben hat, nach mehr Sinn und Erfüllung zu streben. Jedenfalls ist der allgemeine Hang dazu, Glück und Zufriedenheit gleichzusetzen, ein grandioser Irrtum. Wir haben uns heute nämlich mehrheitlich für das zufriedene Unglück entschieden.
    Laut WHO halten sich 27 Prozent aller Europäer für depressiv. Und die gleiche Studie sagt voraus, dass Depressionen bis zum Jahr 2020 die weltweit zweithäufigste Erkrankung sein werden. Überholt nur noch von Herzkrankheiten durch Zucker, Fett, Alkohol und Stress. Wir waren noch nie so reich. Wir waren noch nie so gebildet. Europa ist eine Festung der Sicherheit und des Wohlstands. Bei |134| allem Grund zur Zufriedenheit, der daraus folgt: Warum um Himmels willen

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