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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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willst?«
    »Nein«, sagt der Mitarbeiter kleinlaut, »aber, Chef, wie soll ich das denn machen?«
    »Gute Frage«, seufzt der Chef erleichtert, »jetzt sind wir auf dem richtigen Gleis. Also lass uns überlegen, wie wir das hinbekommen.«
    |154| »Geben`se mir zehn Euro, dann ist gut!«
    Es gibt also ganz offensichtlich keinen Zuteilungsstau bei den Chancen im Leben.
    Es gibt also ganz offensichtlich keinen Zuteilungsstau bei den Chancen im Leben. Es gibt nur einen Wahrnehmungsstau. Glückskinder, die scheinbar mühelos Chancen nutzen, haben ihren Mitmenschen lediglich voraus, dass sie die Nischen suchen, die richtigen Fragen stellen, große Ziele im Kopf haben und mit der Zeitdimension besser klarkommen als der Durchschnitt.
    Sie haben noch eine andere Eigenschaft: Sie können rechnen. Ob ich nun ein Glückskind bin oder nicht (ich habe da so meine Zweifel), aber rechnen kann ich – zumindest manchmal. Ich kann es nicht nur, ich tue es auch andauernd. Beispielsweise in Jena, wo ich einmal drei Wochen im Hotel gelebt habe. In der ersten Woche habe ich mein Auto draußen auf der Straße stehen lassen. Da habe ich gerechnet: Ist es billiger, einen Parkschein oder einen Strafzettel zu lösen? Der Strafzettel war billiger, und den bekam ich dann auch prompt.
    In der zweiten Woche wollte ich dann in die Hotelgarage, die Polizei war nämlich recht agil in Jena. Nebenan war aber ein Einkaufszentrum, beide benutzten dasselbe Parkhaus. Also habe ich gerechnet: Was ist billiger: das Ticket im Hotel kaufen oder am Automaten des Einkaufszentrums? Im Hotel kostete es 17 Euro pro Tag, im Einkaufszentrum, das ja nur auf Kurzparker eingerichtet ist, summasummarum 68 Euro für fünf Tage. Also bin ich ins Einkaufszentrum. Damit war schon etwas gespart, aber nicht genug. Da stand nämlich bei den Parkbedingungen, dass ein verlorenes Ticket eine Strafgebühr von 17 Euro kostet. Also habe ich ein Ticket gelöst und habe es nach der Einfahrt gleich beim nächsten Abfallkorb »verloren«.
    Als ich dann abfahren wollte, bin ich zum Schalter gegangen und habe den Verlust ordnungsgemäß gemeldet. »Oh, ganz schön teuer wird das jetzt leider!«, meinte der freundliche Herr hinter der Glasscheibe.«
    |155| Ich zuckte die Achseln. »Da kann ich wohl jetzt nichts dagegen machen.«
    »Hm, warten se«, brummte der Mann mit einem Anflug eines spitzbübischen Grinsens. »Wissen se was, geben se mir zehn Euro und dann ist gut!«
    Ich gab ihm 10 Euro, bekam das Ersatzticket und stieg ins Auto. 10 Euro statt 85 Euro. Nur mit Grundrechenarten.
    10 Euro statt 85 Euro. Nur mit Grundrechenarten.
    Beim Rausfahren kam mir noch die Idee, ob ich ihn nicht nach einer Quittung fragen sollte, damit ich das Ticket steuermindernd in der Firma verbuchen konnte. 10 Euro aus bereits versteuertem Geld ist nämlich kaum billiger als 17 Euro steuerminderndes Geld, aber was soll’s, das hätte ihn in eine schwierige Lage gebracht, die wollte ich ihm ersparen, weil er so nett war. Das hätte wenig Stil gehabt.
    Und einen edlen und guten Lebensstil lernt man bei den Rotariern. Dort findet sich ein zweites Beispiel für das Rechnen: Wir veranstalten jedes Jahr eine Tombola für einen wohltätigen Zweck auf dem Weihnachtsmarkt. Das ist ein Riesenaufwand, den sich die etwa 40 rotarischen Freunde da aufladen. Zwei Tage lang der totale Rummel. Und in der Zeit vorher, bis alle Gewinne eingesammelt sind, verpackt, aufgebaut und die Tabelle mit den Gewinnen geschrieben ist, kommen astronomische Stundensätze zusammen. Als letztes Jahr am Stand alle ihren Dienst abbrummten, konnte man fast fühlen, wie die Zeit durch die Finger rann. Da hab ich das Ganze mal grob überschlagen. In der Trommel sind 2   000 Lose à 2 Euro. Die Preise sind knapp 10   000 Euro wert – Rotarier lassen sich nicht lumpen. Preise für 10   000 Euro für Lose im Gesamtwert von 4   000 Euro. Eigentlich, dachte ich, muss ich beim nächsten Weihnachtsmarkt Punkt 8 Uhr Morgens alle Lose aufkaufen. Ich lege sogar noch 1   000 Euro drauf, und die Rotarier haben noch etwas zusätzlich gewonnen für ihre Spende. Ich habe den zeitraubenden Dienst am Stand gespart, kann in der Zeit Wertschöpfung erzielen und habe noch einen ordentlichen Gewinn gemacht, wenn meine Mitarbeiterin die ganzen Sachen bei eBay verkauft hat.
    |156| Es wäre wirtschaftlich völlig unvernünftig, nicht alle Lose zu kaufen. Der einzige Haken: Es gäbe dann keine Tombola mehr. Und hier liegt der Hund begraben. Mein Manöver birgt

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