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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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wir mit spätestens 120 Jahren? Ich glaube, Gott hat es so eingerichtet, weil wir mehr Überblick nicht haben. In zeitlicher Hinsicht sind wir Analphabeten, wir haben völlig unzureichende Vorstellungen von Zeitabläufen. Wir überschätzen beispielsweise regelmäßig, was wir an einem Tag schaffen können, und wir unterschätzen grandios, was wir in zehn Jahren schaffen können. Darum |152| sind Tagespläne immer unrealistisch, weil so viel gar nicht zu schaffen ist. Die To-do-Liste ist abends nie leer. Und Business-Pläne über drei bis fünf Jahre sind oft unrealistisch, weil die Ziele viel zu niedrig gesteckt wurden. Es dauert bei uns Menschen immer länger, als wir denken, und dann schaffen wir immer mehr, als wir denken.
    Selbst Jesus von Nazareth hatte bei allem, was er erreicht hatte, etwas vergessen, weil er die Zeitdimension nicht im Blick hatte. Sonst müsste heute kein Christ Kirchensteuer zahlen. Hätte er nur den Gegenwert von 1 Cent mit 5 Prozent Jahresrendite angelegt, hätten seine Jünger heute 616   572   900   376   657   700   000   000 Euro auf dem Konto. So viel Geld gibt es gar nicht!
    Wir glauben nicht an unsere Selbstwirksamkeit.
    Stattdessen setzt bei großen Zahlen, großen Zielen, großen Vorhaben bei uns sofort und reflexartig der Widerstand ein und bockt: Geht nicht! Unrealistisch! Ist nur was für Große und Reiche! Unmöglich! … Das alles sind für mich Ausschränkungskriterien. Sie sind dazu da, etwas aus dem Bereich des Möglichen verbal zu entfernen, damit man sich nicht anstrengen muss. Wir haben einen eingebauten Hemmfilter, der verhindert, dass wir die Langfristigkeit und die Wirksamkeit unserer Handlungen einschätzen können. Wir glauben nicht an unsere Selbstwirksamkeit.
    Darum stellen wir immer wieder die Frage, ob etwas überhaupt möglich ist. In dieser Frage ist der Kleinmut schon eingebaut. Natürlich ist es möglich! Das digitale Denken, mit dem wir aufgewachsen sind, stellt sich die Frage: Geht es oder geht es nicht? Die richtige Frage ist eine ganz andere: Wie geht es? Wie ist es möglich? Erst wenn wir eine Antwort auf diese Frage haben, können wir entscheiden, ob wir bereit sind, diesen Weg zu gehen oder nicht. Die Killerfrage, ob etwas möglich ist, bewahrt uns vor dieser Entscheidung: Will ich oder will ich nicht? Denn wenn etwas für unmöglich erklärt wurde, macht die Frage, ob ich es will, ja keinen Sinn.
    Wenn ich aber die Frage, ob ich es will, vermeide, dann brauche ich auch keine Verantwortung übernehmen für das Ergebnis. So kann nichts schief gehen. Uff! Gerettet! Unsere Vollkaskomentalität zeigt sich darin, dass wir es gar nicht erst versuchen. Sondern fröhlich |153| im Raum des vermeintlich Möglichen vor uns hinstoppeln. Und je intelligenter der Mensch, desto raffinierter die Ausreden …
    Chefs kennen das. Täglich. Ein Chef sagt zu seinem Mitarbeiter: »Schau, wir liefern unserm Kunden am Freitag dies und jenes. Bitte mache deshalb dies und das.«
    Der Mitarbeiter nickt bereitwillig und macht sich sorgfältig an die Arbeit. Der Chef sieht schon nach fünf Minuten, dass etwas nicht stimmen kann mit dem Tempo des Mitarbeiters. Er bemerkt seinen Fehler, räuspert sich und sagt: »Ähm, Entschuldigung. Ich habe mich vorhin unklar ausgedrückt. Ich meinte eigentlich: Bitte tue dies und das BIS FREITAGMORGEN UM 9:00!«
    Der Mitarbeiter schaut den Chef völlig entgeistert an: »Aber Chef, das ist unmöglich!« – Und in seinem Kopf beginnt sich das S-Wort zu formen: Sklaventreiber!
    Der Blutdruck des Chefs steigt: »Ja, bis wann wolltest du denn die Arbeit erledigt haben?«
    Der Mitarbeiter überlegt: »Also, um es richtig gut zu machen, und das wollen wir ja schließlich, brauche ich zwei bis drei Wochen.«
    Der Chef versucht, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken, und sagt langsam: »Aber der Kunde braucht es am Freitag.«
    Der Mitarbeiter schaut ihn verständnislos an. »Aber da kann doch ich nichts dafür«, verteidigt er sich, »ich sage ja nur, wie lange ich brauche, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.«
    »Du hast nicht verstanden, was das Ergebnis ist«, erwidert der Chef. »Das Ergebnis ist nicht das, was du in zwei oder drei Wochen produziert hast, sondern das, was am Freitag dem Kunden geliefert wird. Der Zeitpunkt ist fix. Wenn wir am Freitag liefern: 2   000 Euro. Wenn wir in zwei Wochen liefern: 0 Euro. Und keine Aufträge mehr in der Zukunft. Schaden: ungefähr 10   000 Euro. Ist das das Ergebnis, das du erzielen

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