Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
1,10 Euro. Tatsächlich kostet der Ball nur 5 Cent! Irgendetwas in unserem Gehirn hat dazu geführt, dass wir intuitiv eine falsche Antwort auf diese scheinbar so einfache Frage geben. Wir hören oft auf nachzudenken, wenn wir glauben, es verstanden zu haben.
Komm mit mir ins Abenteuerland
Wer rechnet, für den gefriert die Welt für einen Augenblick. Kopf oder Zahl? Ich werfe eine Münze und klatsche sie auf meinen Handrücken. Egal, was Sie gewählt haben, in absoluter Häufigkeit ausgedrückt steht Ihre Chance 1:1 oder »fifty-fifty«. Als relative Häufigkeit ausgedrückt entspricht dies einem Verhältnis von 50 Prozent. So einfach funktioniert die Welt aus den Augen eines Spekulanten. Ob Sturzgeburt, Lottojackpot oder Killerbienen aus dem Weltraum – die Wahrscheinlichkeit jedes beliebigen Ereignisses kann in eine trockene kleine Zahl gegossen werden.
Wer rechnet, spekuliert. »Speculare« ist Latein und bedeutet »spähen«. Chancen sieht das Glückskind deshalb, weil es spekuliert, späht, scharf auf die Chance blickt. Und dabei keine Angst vor großen Zahlen hat.
André Kostolany, der berühmte Börsenfuchs, sagte einmal: »Ich lag mit meinen Geschäften zu 49 Prozent falsch und zu 51 Prozent richtig. Die 2 Prozent Unterschied waren mein Erfolg.« Wenn er Geschäfte um 100 Euro gemacht hätte, wären das 2 Euro gewesen. Er machte Geschäfte mit hunderten von Millionen, weil er keine Angst vor großen Zahlen hatte.
Wer rechnet, sieht die Lücke.
Wer rechnet, sieht die Lücke. Natürlich steigt das Risiko mit dem Einsatz. Aber da kommt eine weitere Eigenschaft des Glückskinds ins Spiel. Dostojewski hat das seinen tragischen Held Aleksej in seinem Roman
Der Spieler
so ausdrücken lassen:
»Nun hätte ich weggehen sollen. Aber es war in mir eine seltsame Empfindung rege geworden, der Wunsch, gewissermaßen das |159| Schicksal herauszufordern, ein Verlangen, ihm sozusagen einen Nasenstüber zu geben und die Zunge herauszustrecken.«
Das Glückskind ist auch Spekulant und Spieler, es liebt das Risiko. Insbesondere auch deshalb, da kein Risiko möglicherweise eines der größten Risiken darstellen könnte. André Kostolany hat das mit Scharfblick so formuliert: »Wer viel Geld hat, kann spekulieren. Wer wenig Geld hat, darf nicht spekulieren. Wer kein Geld hat, muss spekulieren.« Das ganze Leben ist ein Spiel. Also setzen Sie, spielen Sie, gewinnen Sie. Aber jedes Spiel ist irgendwann aus. Egal, wie unsere Geschäfte ausgehen, wir können nichts mitnehmen. Am Ende bleibt nur das Gefühl, alles gegeben zu haben, das Mosaik des Lebens wirklich gefüllt zu haben, das Gefühl, gelebt zu haben.
Sich bewusst und dauerhaft in unsichere Gefilde vorzuwagen, führt zu einem Leben außerhalb der Komfortzone. Das ist das Ideal. Ich sträube mich selbst immer wieder dagegen, aber ich weiß eigentlich, dass das einzig dauerhaft Schöne im Leben die Veränderung ist. Und permanente Veränderung ist die Folge, wenn einer abenteuerlich lebt. Für mich ist die ideale Vorstellung vom Leben die eines Abenteuers. Denn ich sehne mich, wie jeder andere auch, danach, endlich anzukommen. Bei mir selbst anzukommen. Ich weiß aber, dass ich nur ankommen kann, wenn ich mich auf große Fahrt begebe.
Das liegt schon im Wortstamm: Abenteuer hat wie das englische »Adventure« den Stamm »adventare« – schon wieder Latein –, und das heißt »ankommen«.
Ständig im Abenteuer zu leben, hält keiner zu 100 Prozent aus. Auch ich kann mittlerweile, wohl weil ich älter geworden bin, mal 20 Minuten irgendwo sitzen und vor mich hinglotzen, zum Beispiel in einen Fernseher oder aus einem Zugfenster. Aber grundsätzlich bin ich schon ein Getriebener, das haben Sie ja mittlerweile gemerkt. Ich bin chancengetrieben. Ich bin immer auf der Suche nach dem Optimum.
Das ist wahnsinnig anstrengend. Aber ich habe keine andere Wahl. Denn, um mit Hartmut Engler, dem Sänger und Texter der Band Pur zu sprechen:
»Komm mit mir ins Abenteuerland, der Eintritt kostet den Verstand. Komm mit mir ins Abenteuerland und tu’s auf deine Weise. Deine Fantasie schenkt dir ein Land, das Abenteuerland.«
|160| D URCHBRÜCHE
Warum Verwirrung unser bester Zustand ist
1 50 Athleten wippen in ihren Laufschuhen, lockern die Nackenmuskulatur und die Oberschenkel, atmen durch, konzentrieren sich. Kameras surren, Fotoapparate klicken. Gleich geht es los! Gleich startet einer der härtesten Wettkämpfe weltweit. Wir sind in Sydney, das Ziel ist Melbourne. Dazwischen
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