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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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nämlich eine viel wichtigere Lektion, als die ganze Zahlenkleckerei um ein paar Reisegutscheine, Festina-Uhren und Parfümflakons. Meinen Freunden vom Rotary Club steht eine wichtige Einsicht bevor: Dass ihre
causa finalis
statt der wohltätigen Spende in Wirklichkeit die Tombola ist. Die Leute wollen nicht nur ein möglichst gutes Spendenergebnis erzielen, sondern vor allem auf dem Weihnachtsmarkt präsent sein und soziales Engagement zeigen. Und das ist gut so!
    Ich glaube, ich mache das, ich kaufe beim nächsten Mal alle Lose. Ich freue mich wie ein Schuljunge auf die Diskussionen. Vielleicht kommen wir ja auf neue Ideen. Vielleicht finden wir zu neuen Zielen? Vielleicht fragen wir uns einmal: »Wenn das so simpel ist, 10   000 Euro für den guten Zweck einzusacken, warum versuchen wir’s nicht einfach mit 1 Million oder zumindest mit 100   000 Euro?« Ich bin äußerst gespannt.
    Sie könnten auch mal ausprobieren, einfach nur zu betteln. 30 Rotarier auf den Knien in der Einkaufsstraße. Das wäre mal was! Ich wäre da sofort dabei, im Betteln habe ich sogar ein wenig Erfahrung: Als ich 15 war, bin ich einmal betrunken am helllichten Nachmittag durch die Freisinger Innenstadt gewankt. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr aufrecht halten, da habe ich mich hingesetzt. Kurz drauf hat mir jemand Geld hingeworfen. Ich war nicht so betrunken, dass ich das nicht mitbekommen hätte. Also bin ich sitzen geblieben. Und weil das so gut funktioniert hat, habe ich mich, immer wenn ich etwas Geld brauchte, in der Freisinger Innenstadt auf den Boden gesetzt. Verhungern musste ich jedenfalls nicht. Es hat sich gerechnet.
    Die meisten von uns sind unglaublich schlecht im Rechnen. Auch die Gebildetsten unter uns. 80 Prozent der Ärzte beispielsweise beantworten eine einfache Frage aus der Epidemiologie regelmäßig falsch. Bei dieser Frage geht es um eine Vorsorgeuntersuchung: Stellen Sie sich vor, einer von 1   000 Menschen der Bevölkerung ist von einer Krankheit betroffen. Der Test dieser Krankheit ergibt zu 5 Prozent eine falsche Antwort. Ihr Testergebnis ist nun ausgerechnet positiv! Wie hoch ist die Gefahr, dass Sie an dieser Krankheit leiden? |157| 95 Prozent. Eben gerade diese naheliegende Antwort ist falsch! Die Angst ist oft größer als die Realität. Die Gefahr, dass Sie an dieser Krankheit leiden, liegt bei grob 2 Prozent. Sie sind zu 98 Prozent gesund! Warum? Wenn 1   000 Leute getestet sind, so wird eine Person diese Krankheit haben und 999 werden diese nicht haben. diese eine Person wird bei dem Test möglicherweise richtig identifiziert. Ein wahres Positiv. Aber 50 Personen (5 Prozent) der 999 werden bei dem Test als krank identifiziert. 50 falsche Positive. Schlimm genug.
    Ärzte sind eben Mediziner und keine Mathematiker. Und ich mag gar nicht wissen, wie viele Körperteile schon weggeschnitten wurden, bloß weil sich jemand verrechnet hat. Und auch das ist mittlerweile erwiesen.
    Wenn Sie das so hören: Tricksen im Parkhaus, Rechnen, wenn es um Spenden und Gemeinnütziges geht, Mathematik bei fiesen Krankheiten und ein paar Cent hin oder her bei einer völlig fiktiven Rechnung – glauben Sie dann, dass ich besessen davon bin, mir noch den letzten Deal zurechtzufeilschen? Dass es mir um das Billiger geht, darum, mehr rauszuholen? Dann haben Sie mich falsch verstanden. Nichts läge mir ferner! Mir geht es nicht darum, dass Sie sich im Feilschen üben. Das sind für mich alles nur Beispiele, die zeigen, dass wir uns diese schlichten alltäglichen Probleme alle aus einer Adlerperspektive anschauen müssen. Wir brauchen die Meta-Ebene, um Chancen zu sehen. Der Aufstieg auf die höhere Ebene erlaubt es uns erst zu rechnen.
    Wir hören oft auf nachzudenken, wenn wir glauben, es verstanden zu haben.
    Eine letzte Rechnung: Ein Baseball-Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro. Der Schläger kostet genau 1 Euro mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball? Einfach, oder? In seiner Nobelpreisrede stellte der amerikanisch-israelische Psychologe Daniel Kahneman zur Einleitung diese Frage. Fast alle, denen ich diese Frage stelle, antworten sofort und intuitiv, dass der Ball 10 Cent kostet. Das gilt auch für den Großteil der Studenten an den Elite-Universitäten Princeton und Harvard. Fast alle geben diese Antwort. Aber wenn der Ball 10 Cent kosten würde, müsste der Schläger 1,10 Euro kosten, denn der Schläger kostet ja einen Euro |158| mehr als der Ball. Die Gesamtsumme wäre dann 1,20 Euro und nicht

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