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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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Leben sein?
    Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in einem Luxushotel in Las Vegas. Leider hat mich der Jetlag gestern viel zu früh ins Bett und mich heute viel zu früh aus dem Bett getrieben. Ich bin aufgestanden, als noch nicht einmal das Frühstücksrestaurant geöffnet hat. Und während ich mir in der Lobby einige Gedanken zusammenschreibe, darf ich einen Hotelmitarbeiter beobachten, der gerade High Heels und einen BH vom Sofa in der Hotellobby wegräumt. Muss eine heiße Nacht gewesen sein, die ich da verschlafen habe. Wer sollen Sie in Ihrem Leben sein? Die Person, die den Büstenhalter ausgezogen bekommt, die Person, die ihn ausgezogen hat, die Person, die ihn am nächsten Morgen aufräumen darf, oder die, die das Ganze verschlafen hat. Was ist Ihre Vision?
    Ob es nun eine Studie gibt oder nicht, die die Kraft der Vision in irgendeiner Weise beweist oder belegt, mich hält das nicht davon ab, zu wissen, dass Visionen Menschen, Unternehmen, ja ganzen Staaten und vielleicht eines Tages der Menschheit einen Zweck geben können.
    Woher aber der Wille kommt, der aus dem Luftschloss eine Vision macht, ist damit noch nicht geklärt.
    Bestimmung oder Angst?
    In der Nacht vom 26. auf den 27. Januar 1978 hatte »The Great Blizzard« fast den gesamten Staat Michigan von einer Nacht auf die andere unter einer meterhohen Schneedecke begraben. Wie fast der gesamte Norden war auch ein kleiner Ort vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Nichts ging mehr, Räumdienst, Strom- und |202| Telefonnetz, alles war zusammengebrochen. Im Prinzip halb so wild. Wären mit dem Strom nicht auch die Maschinen ausgefallen, die ein Mädchen, das im Haus seiner Eltern auf ein Spenderherz wartete, bis dahin am Leben gehalten hatten. Sie musste sofort ins Krankenhaus.
    Dort stand ihre Überlebenschance bei fast 100 Prozent. Hier draußen lag sie nahe null. Was tun, nachdem niemand rein und raus konnte und das Telefon bereits tot war und kein Hubschrauber bei dem Sturm hätte aufsteigen können? Sollten die Eltern der realistischen Chance ins Auge blicken, die ihre Tochter noch hatte, und gemeinsam mit ihr auf den Tod warten, oder sollten Sie beschließen, die Chance zu nutzen, die sie nicht hatten? Oder ging es hier überhaupt nicht mehr um die Kategorie Realismus?
    Sie kämpften sich durch den Sturm zu den Nachbarn. Die kämpften sich durch den Sturm zu ihren Nachbarn. Und die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer in dem kleinen Ort. Männer und Frauen versammelten sich in der Kirche. Es entstand eine Vision: Das Mädchen wird leben! Koste es, was es wolle! Doch wie, das wusste noch keiner.
    Eine Gruppe von Männern brach auf, um durch Nacht und Sturm den Nachbarort zu erreichen. Denn dort besaßen Bekannte ein Walkie-Talkie. Als sie nach Stunden völlig abgekämpft dort ankamen, konnten sie einen Amateurfunker aus der Kreisstadt erreichen. Vier Stunden später retteten Pioniere vom nahe gelegenen Armeestützpunkt das Mädchen und brachten es ins Krankenhaus. Die Summe der einzelnen Bemühungen war es schließlich, die dem Kind das Leben gerettet hat. Auch wenn es zu Anfang null Chance und null Strategie gab. Viele hatten für das Mädchen ihr Leben auf Spiel gesetzt. War es Schicksal, dass das Mädchen leben sollte? Nein, es war purer menschlicher Wille. Der gemeinsame Wille hat alle an einem Strang ziehen lassen. Und woher kam der gemeinsame Wille? Von der Angst, das Mädchen könnte sterben!
    Sehr wahrscheinlich war die Rettung nicht. Unrealistisch sagen wir dazu. Aber kommt es nun darauf an, ob etwas wahrscheinlich ist, oder darauf, ob wir etwas wollen? Ein Freund von mir war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hatte großen Respekt vor |203| der Armut und hatte sich geschworen, das ganz schnell zu ändern. Er erzählte mir neulich, dass er mittlerweile Eigentümer von 400 Häusern ist, die er sich im Laufe der Zeit erarbeitet hat. Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber wahr. Wie hat er das gemacht? Er hat immer Häuser günstig aus Zwangsversteigerungen aufgekauft, dann renoviert und schließlich vermietet. Er hatte ein eigenes kleines Bauunternehmen nur für seine Häuser.
    Dieser Freund tat nicht das Realistische, sondern das Einfache, das wir so oft nicht sehen können. Er war darauf programmiert, in kürzester Zeit schnelle, pragmatische Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise bemerkte er eines Tages, dass es in seiner Heimatstadt Amberg Speed-Dating zum Flirten gab. Er suchte eine Frau, also nahm er

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