Glücksklee
Sie drehte sich zu Charlie um. Augenscheinlich hatte er mitgehört, denn er starrte sie mit offenem Mund an. Toll. Sie musste daran denken, was er damals bei ihrem Wiedersehen vor dem Café gesagt hatte, dass er mit diesem ganzen Hollywood-Mist nichts zu tun haben wollte.
«Das geht dich überhaupt nichts an, Erik.»
«Oh, meine Süße, das sehe ich aber völlig anders. Du stehst hier im Moment ganz hoch im Kurs, und es würde uns gar nicht in den Kram passen, wenn du das mit irgendeiner Provinzgeschichte kaputt machen würdest.»
«Ich stehe hoch im Kurs? Was meinst du damit?»
«Na ja … wie ich dir schon ungefähr dreißigmal auf die Mailbox gesprochen habe: Peter Jackson überlegt, dir die Rolle der Clara in
The Soldier’s Daughter
zu geben.»
«The … Soldier’s … Daughter?»
Ruth spürte, wie sie in sich zusammensackte.
The Soldier’s Daughter
war ein ungeheuer erfolgreicher Bestseller, der verfilmt werden sollte, und Clara war die Romanheldin, der auf der ganzen Welt die Herzen zuflogen.
«Ganz richtig. Peter Jackson scheint ein Fan von
Glamazons
zu sein, und er meint, du wärst die perfekte Besetzung für die weibliche Hauptrolle. Du musst natürlich noch Probeaufnahmen machen, aber ich schätze mal, das ist eine todsichere Sache. Jackson weiß, was er will.»
Das ganze Zimmer drehte sich um Ruth. Todsichere Sache … Peter Jackson … weibliche Hauptrolle …
Genau davon hatte sie ihr Leben lang geträumt.
Nach all den Jahren, all den Kämpfen wurde Ruth Seymour endlich die Rolle ihres Lebens angeboten.
«So, wie Jackson an so was rangeht, ist das natürlich absolut oscarverdächtig», blubberte Erik gerade. «Und die Sache mit dem Baby dürfte auch kein Problem sein – solange du hinterher wieder abspeckst, versteht sich. Oder nein, vergiss, was ich gesagt habe, denn du nimmst gar nicht erst zu.» Ruth hörte, dass Erik lächelte, wusste aber, dass er es ernst meinte. Sie sah an sich hinunter. Doch, ein paar Pfund hatte sie schon zugenommen.
Von jetzt an wollte sie wieder auf ihr Gewicht achten, das war selbstverständlich. Schließlich musste sie sich für
The Soldier’s Daughter
in Form bringen.
Und war es nicht wahnsinnig toll, dass das Baby anscheinend gar kein Hindernis war? Klar, bei den Aufnahmen für
Glamazons
würden wegen ihres Entbindungstermins einige Drehtage verschoben werden müssen, aber das hatte Erik vermutlich schon geregelt.
Es war einfach irre. Plötzlich erschien es Ruth, als könne sie tatsächlich beides haben – ihre Karriere als Filmstar und das Baby! Was war sie doch für ein Glückskind.
«Ich kann das noch gar nicht glauben, Erik!», rief sie, und ihre Stimme überschlug sich vor Begeisterung. Diese ganzen dummen Gedanken, dass sie Hollywood aufgeben würde, um in Lakeview zu bleiben, hatten sich in Luft aufgelöst. Während Erik ihr weitere Einzelheiten mitteilte, bemerkte sie, dass Charlie aufstand und in dem kleinen Zimmerchen umhertigerte. Sie wandte den Blick ab und versuchte, ihn nicht zu beachten.
«Doch, es ist mir todernst damit, meine Süße. Die wollen dich, also krieg jetzt mal den Arsch hoch und komm wieder rüber. Was hast du überhaupt die ganze Zeit in deinem irischen Provinznest gemacht? Wir hätten schon längst loslegen können, wenn du uns von Valentines Baby erzählt hättest. Die Presse ist ganz verrückt danach. Was hast du dir bloß dabei gedacht, uns so was zu verschweigen?»
Ruth beschloss, die schwachen Warnsignale zu ignorieren, die in ihr aufstiegen, als Erik von ihrer Schwangerschaft wie von einem PR -Coup sprach. «Tut mir leid – ich hätte deine Anrufe annehmen sollen, und ja, ich komme, sobald ich kann. Danke Erik – du bist einfach Spitze.»
«Ja, das sagen sie alle …», prustete er, bevor er auflegte.
In bester Laune, so als hätte es ihre Niedergeschlagenheit vor Chloes Anruf nie gegeben, warf Ruth ihr Handy auf den Schreibtisch und schaute Charlie an. «O mein Gott, du wirst es nicht glauben.»
«Ich glaube, ich habe das meiste mitgehört», erwiderte er nüchtern.
«Aber kannst du dir das vorstellen? Ich in der weiblichen Hauptrolle in einem großen Hollywood-Film? Vielleicht sogar mit Aussichten auf einen Oscar.» Ruth war etwas wirr im Kopf, denn auf einmal war der Lebensstil Hollywoods mit seinem Glanz und seinen Versprechungen wieder zum Greifen nah. «Ach, das ist einfach unglaublich.»
«Unglaublich … genau.»
«Jetzt kann ich es gar nicht mehr abwarten, zurückzufliegen. Ich werde ihnen
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