Glücksklee
leise Angst beschlich Jess. Sie brauchte ihre Freundinnen. Wenn sie heute Abend nicht mit Emer und Deirdre unterwegs wäre, was würde sie dann tun? Wahrscheinlich hätte sie im Büro Überstunden gemacht oder sich zu Hause Essen kommen lassen und sich damit vor den Fernseher gesetzt.
Doch so ganz stimmte das auch nicht, überlegte sie. Vor einiger Zeit war sie mit Kolleginnen ausgegangen, als Brian auf Geschäftsreise gewesen war. Allerdings waren diese jungen Frauen Singles und normalerweise jünger als sie selbst, außerdem war sie mit ihnen nicht so eng verbunden wie mit Emer und Deirdre. Ihre Kolleginnen waren schlichtweg Bekannte, Menschen, mit denen man mal lachen konnte, aber keine richtigen Freundinnen.
Dagegen waren die beiden Frauen, mit denen sie hier am Tisch saß, echte Freundinnen. Aber falls Brian weiterhin so viel reisen musste und sie und Emer und Deirdre sich noch mehr auseinanderlebten, würde sie in Zukunft viel mehr Zeit allein verbringen müssen.
Um diese erschreckende Befürchtung auszublenden, konzentrierte Jess sich wieder auf das Tischgespräch. Beim Zuhören versuchte sie, vorauszudenken und sich intelligente Fragen über die Kinder einfallen zu lassen, auch wenn sie von dem Thema ja nicht besonders viel verstand.
Endlich unterbrach Deirdre sich: «Ach du liebe Güte, Jess, sorry – du langweilst dich bestimmt zu Tode, während wir hier das Blaue vom Himmel herunterschwatzen.»
«Nein, nein, überhaupt nicht. Eigentlich ist es sogar gut, wenn ich mehr über diese Themen erfahre», widersprach sie. Sie sah, wie Emer Deirdre einen Blick zuwarf, als wolle sie ihr wortlos etwas mitteilen. Vermutlich dachten die beiden, sie wolle einfach unter keinen Umständen die gute Stimmung zerstören, deswegen erklärte sie: «Na, früher oder später muss ich mich doch auch damit befassen.»
Emer hob eine Augenbraue. «Wirklich? Wie meinst du das?»
Jess wurde rot. «Ach, na ja, Brian und ich haben miteinander gesprochen … und wir dachten, dass es vielleicht Zeit ist.» Jess wusste nicht, wo diese Worte plötzlich herkamen – sie mochte für sich beschlossen haben, dass es Zeit war, doch Brian wusste noch gar nichts davon, oder?
Und hatte sie tatsächlich irgendwas beschlossen?
Wieder tauschten ihre Freundinnen einen Blick. Diesmal aber lag Anerkennung darin, und Deirdre klatschte vor Freude in die Hände. «Wow! Heißt das, dass ihr es jetzt versucht?»
«Äh – also … na ja, wir fangen gerade an … darüber nachzudenken», stotterte Jess. Sie war sich sicher, dass die beiden ihre Unsicherheit spüren würden, aber am Tisch entstand eine Aufregung, als hätte sie sich soeben mitten ins Restaurant gestellt und verkündet: «Ich habe beschlossen, mich fortzupflanzen!»
«Ach du lieber Gott, ist das spannend!», rief Emer. «Ich freue mich so für dich! Also, vermutlich hast du die Pille schon abgesetzt, aber hast du auch schon angefangen, deine fruchtbaren Tage zu bestimmen? Denn das ist wirklich wichtig, verstehst du, besonders am Anfang.»
«Aha …» Jess machte große Augen, stellte jedoch fest, dass sie eigentlich gar nicht zu antworten brauchte, weil ihre Freundinnen sie nun mit mütterlicher Weisheit überschütteten.
Jess konnte es nicht fassen. Plötzlich gehörte sie dazu, sie war wieder eine von ihnen, und das nur, weil sie erwähnt hatte, dass Brian und sie möglicherweise bald irgendwann versuchen würden, ein Kind zu kriegen. Sie war in den Mama-Club aufgenommen worden, einfach so!
Vielleicht war das ja die Lösung. Vielleicht hatte ihre Freundschaft mit Deirdre und Emer wirklich noch eine Chance. Wenn sie ein Baby kriegen würde, wäre sie wieder auf gleicher Ebene mit ihren Freundinnen, und alles wäre in bester Ordnung.
Jess war plötzlich in Hochstimmung, und für den Rest des Abends fühlte sie sich wie in alten Zeiten – die drei Freundinnen plauderten und kicherten so vertraut miteinander wie früher. Gut, vielleicht doch nicht mehr ganz so offen wie in alten Zeiten, musste Jess einräumen, als das Thema zur Sprache kam, welche Vornamen Brian und ihr denn gefielen.
Aber nachdem sie ihren Freundinnen von ihrer spontanen Entscheidung, ein Baby zu bekommen, erzählt hatte, war jetzt vielleicht auch der Zeitpunkt gekommen, um mit Brian darüber zu sprechen.
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Kapitel 11
Es war Samstagmorgen, und Ruth fühlte sich wohl. Sie hatte in der letzten Woche jede Nacht tief und fest geschlafen. Lag es daran, dass sie vorher einfach fix und
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