Glückspfoten, Ahmed und die ganz große Kohle (German Edition)
sich doch gleich viel besser. Aber auf wen oder was hätte ich meine Misere denn schieben können? Mich selbst?
Das wäre nun wirklich zuviel verlangt.
Und sonst konnte ich auch nichts ausfindig machen, was schuld sein konnte. Generell soll man seinen Frust ja auch nicht auf Gerätschaften wie Fernseher, PC, Handy und Co. schieben. Meine ehemalige Kollegin hatte dazu immer einen entwaffnenden Spruch, wann immer jemand heftig am Schimpfen war angesichts der Tatsache, dass die „Kiste“ wieder einmal nicht das tat, was just von ihr verlangt wurde.
Dann kam Frau Graf, die gute Seele vom Orthopädie-Empfang, um die Ecke und kommentierte trocken in schönstem Hessisch: „Ja, jaaa… Wenn de Bauer nett schwümme kann, dann iss die Badehos‘ dran schuld!“
Bei dem Spruch waren dann selbst die schlagfertigsten Co mputermenschen schnell muxmäuschenstill und riefen danach klammheimlich die EDV-Abteilung an. Oder sie probierten es das allererste Mal mit der Hilfe-Funktion oder dem guten alten Handbuch, was noch immer jungfräulich, aber schon schwer vergilbt, in irgendeiner Ecke vor sich hin verstaubte.
Aber ich will nicht vom Thema abkommen.
Was ich also ganz kurz erzählen wollte, das ist, dass meine Gesamtsituation nicht gerade als befriedigend zu bezeichnen war. Und das nicht nur wegen meiner Überpfunde.
Nein, es war einfach so, dass auch alles andere völlig aus dem Ruder gelaufen war. Alles!
Zum Beispiel meine Beziehung zu Karsten. Meinem heutigen Ex. Um vollständig zu sein: Dr. Karsten Breidenbach, Facharzt für Orthopädie und Chirurgie am Vinzenz-Joseph-Klinikum in Gießen. Oberarzt, um genau zu sein.
Mit Hang und Drang zu Höherem, also zum Chefarzt…
Da würde er jetzt schon Wert drauf legen, dass ich das nicht unter den Teppich kehre. Aber für mich war er durch Titel und Positionen nicht attraktiver geworden. Im Gegenteil. Seine Entwicklung hatte nichts mit dem Reifen von Rotwein, der mit zunehmendem Alter ja immer besser werden soll, zu tun. Er war eher mit einem einfachen Handkäse zu vergleichen.
Nichts gegen Handkäse, ohne den der Hesse an sich nicht existieren kann. Aber Vorsicht! Er wird mit wachsendem Alter zwar immer reifer, doch gleichzeitig unerträglich schwammig, speckig, ungriffig und genau genommen stinkt er dann wie die Sau!
Mit einem Wort also: Dr. Karsten Stinkekäs‘…
So nenne ich ihn heute manchmal, in Gedanken. Im Laufe der Zeit folgten aber auch noch andere Namen, die man nicht direkt als Kosewörter bezeichnen konnte. Vornehm, wie ich bin, behalte ich die an dieser Stelle jedoch für mich…
Doch er war nicht immer so ein Stinkekäs‘ gewesen.
Früher, da war er eher eine Art Sahneschnitte de Luxe . Ein echter Hingucker würde man heute dazu sagen. Meine Sahneschnitte! Und so nannte ich ihn auch in den kommenden Jahren. Damals zwar noch ohne Doktortitel, aber eben richtig lecker.
Kennengelernt haben wir uns in der wunderschönen Universitätsstadt Marburg, nordöstlich vom mittelhessischen Gießen, wo Karsten geboren und aufgewachsen ist.
Er studierte damals Medizin, und ich machte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Der klassische Fall, im Prinzip.
S tudieren in Marburg war eine Art Idealfall. Das Städtchen lag bei Studenten seit jeher hoch im Kurs – nicht nur wegen der Kneipendichte, auch wenn die das Hauptargument darstellte.
Es lernte sich leicht hier. Und schnell. Vor allem lernte man sehr, sehr rasch, in welcher Kneipe das Bier am kältesten und – vor allen Dingen – am billigsten war.
Die Kneipe neinrichtung an sich war uns mehr oder weniger egal. Je länger die letzte Renovierungs- oder Umbauphase zurückgelegen hatte, desto gemütlicher und uriger war das Ganze.
Wurde dann aber doch eines Tages einmal das Alpina-Weiß eingesetzt, hatte das meist zur Folge, dass die Gemütlichkeit dahin war. Und der Betrieb bald ebenso.
Der Umsatz übrigens auch.
Niemand fühlt e sich wohl, wenn alles blitzte und blankte. Nicht in einer Studentenkneipe!
Das lernten wir alle wirklich schnell. Auch, dass die Putzpläne in WGs nie funktionieren. Das war bei Karsten und seinen Spezis nicht anders.
Das Wort vom Team-Geist (Gesamtlänge Team: T oll, e in a nderer m acht’s!) hatte sich in jede einzelne Zelle der Bewohner eingefräst, und das unauslöschlich. So lernte man auch schnell alles über Schimmelbildung und das Entstehen von Fauna in Küche und Kühlschrank. Naja, aber man wusste wenigstens, was man im häuslichen Umfeld KEINESFALLS
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