Glückspfoten, Ahmed und die ganz große Kohle (German Edition)
Nachbar war anscheinend regelrecht traumatisiert durch seine weihnachtliche Aussperraktion in der bitteren Kälte.
„Keine Sorge, alles im Griff“, winkte ich mit dem Haustürschlüssel. Er schien tatsächlich erleichtert.
Gebranntes Kind…
Wir setzten uns in Gang. Vor dem Haus leuchtete die traditionelle Weihnachtslaterne und entlang des Weges einige Feuerfackeln im Neuschnee. Herr Altenberg kuschelte sich an Ahmeds dickes Winterfell und reichte mir plötzlich seine Hand.
„ Übrigens, ich heiße Adrian Altenberg. Nur so – fürs Protokoll. Aber Adrian reicht völlig.“
„Dorothea Sellinger, Thea reicht aber auch.“
Ich gab ihm meine Hand, die er fest drückte und gar nicht mehr loslassen wollte. Ahmed legte seine Samtpfote noch darauf und besiegelte die Heiligabend-Truppe im Winterwunderland.
„ Anscheinend sollen wir ihn auch duzen!“, stellte Herr Altenberg, also Adrian, fest und lachte unwiderstehlich. Das war mir bisher verborgen geblieben – wie gesagt, die Kameraführung meines kleinen Langhaargesellen war nie optimal gewesen.
Da nn stapften wir also durch den fast jungfräulichen Schnee, ein unwiderstehliches Geräusch. Adrian hatte seine leichten Hausschläppchen mit Detlefs vergessenen Schneeschnipp-Boots getauscht und war anscheinend heilfroh, dass er den Heiligen Abend nicht leicht bekleidet in seinem Gartenhäuschen verbringen musste.
Schon komisch, dachte ich kurz. Da wohnt man so nah z usammen und weiß nichts voneinander, zumindest offiziell.
Und dann so ein Zufall !
Obwohl …
W ar reiner Zufall vielleicht das wahre Schicksal?
In diesem kurzen philosophischen Moment musste ich wohl ins Rutschen gekommen sein. Ich taumelte kurz, und dann gab es diesen klitzekleinen Augenblick, wo sich mein Körper nicht entscheiden konnte. Nach vorne fallen – oder doch besser nach hinten? Wahrscheinlich waren es nur Bruchteile von Sekunden, aber es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit.
Doch Adrian hatte blitzschnell reagiert, Ahmed ein wenig unsanft in den Schnee buxiert, der natürlich weich auf Samtpfoten gelandet war – und mich dann festgehalten.
„ Puh, gerade noch mal gut gegangen“, stammelte ich und schaute auf meine Hand, die er jetzt wieder fest in seiner hielt.
„ Zur rechten Zeit am rechten Ort – das konnte noch nie schaden!“, resümierte Adrian, und Ahmed schaute hoch zu uns beiden, drehte sich dann seelenruhig herum und steuerte tatsächlich den bislang vielmissachteten Neubau an.
Dass ich das noch erleben durfte: vier Füße und vier Pfoten auf dem Weg ins traute Hanse-Heiligabend-Heim. Dafür, dass ich von Häusern, Katzen, Männern und dem Schreiben von Büchern bislang so gar keinen Plan gehabt hatte, sah die Sache momentan doch recht gut aus…
Erst da fiel mir auf, dass er – sicherheitshalber – noch immer meine Hand hielt. Wie gesagt, sicherheitshalber. Wenn es nicht so glatt gewesen wäre unter dem Neuschnee, ich hätte selbstve rständlich niemals mit einem „Fast“-Fremden Händchen gehalten. Nicht mal mit Handschuhen!
Aber so?
Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme, das muss ich im Nachhinein wirklich noch einmal betonen.
„Sieht aus wie fünfblättriger Glücksklee!“, rief ich verzückt aus, als ich die Spuren meines vorauslaufenden Katers im frischen Schnee sah. Noch nie war ich Ahmed hinterhergelaufen und hatte seine Abdrücke in irgendwas gesehen. Eine völlig neue Erfahrung.
Ich als Fährtenleserin…
„Glücksklee?“, fragte Adrian und schaute genauer auf die frischen Tapsen im funkelnden Schnee, „ich würde sagen, das hier sind eher Glückspfötchen!“
Dobbsche!
Es gab dafür keinen passenderen Kommentar…
Kurz überschlug ich die Sachlage: Der Mann hatte zweifellos Phantasie. Und zwar auf eine angenehme Art…
Auch wenn ich der Vollständigkeit darauf hinweisen möchte, dass der Begriff „Glückspfoten“ urheberrechtlich unbedingt meiner Wenigkeit zuzuordnen wäre. Aber ich will jetzt nicht pienzig werden…
Kreativ, tierlieb und überwiegend ehrlich.
Das allein waren schon drei unschlagbare Argumente. Wofür? Na, zumindest für einen unvergesslichen Heiligabend.
Und vielleicht auch für eine ziemlich nette Nachbarschaft. Gegebenenfalls sogar für eine Freundschaft. Am Ende sogar für MEHR?
Jedenfalls sah alles danach aus, als hätte ich diesmal die G-Karte gezogen.
Und zwar die XXL-Glückskarte !
NACHWORT
Die Wahrheit ist ein ödes Land.
Man sollte am besten einen großen Bogen darum
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