Gluecksstern mit Schwips
habe ihm nie gesagt, dass ich ihn liebe.“
„Ich bin mir sicher, er weiß, was du für ihn fühlst.“
Ich schüttele energisch den Kopf. Eine Haarsträhne löst sich und fällt mir vors Gesicht. „Nein, ich habe gesagt, dass ich mit Florian zusammen sein will.“
„Bitte, hör auf, dich zu quälen. Das macht keinen Sinn und bringt dich nicht weiter. Es ist Zeit, dass du nach vorne schaust und dein Leben wieder in den Griff bekommst. “ Anna wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Thema Zeit: Wenn wir uns nicht beeilen, kommen wir zu spät.“
Ich starre noch immer auf die Karte in meinen Händen. Jim hat gewollt, dass ich dorthin gehe. Mein Jim.
„Okay. Ich mache es“, sage ich entschlossen. „Hilfst du mir mit dem Kleid.“
Anna nickt und drückt mich stumm.
Dank der letzten Tage Liebeskummer habe ich mein Idealgewicht wieder, das ich das letzte Mal zum Abitur hatte. Mein Gesicht ist schmal, meine Taille ebenfalls. Dafür wirken meine Augen unnatürlich groß. Wenige Minuten später stehe ich, in rote Seide gehüllt, wieder vor dem Spiegel.
„Du siehst einfach traumhaft schön aus“, flüstert Anna ehrfürchtig. „Kein Wunder, dass Jim wollte, dass du das Kleid trägst. Es ist wie für dich gemacht.“
Mein Spiegelbild versucht zu lächeln. „Ich wünschte, Jim wäre hier und könnte mich sehen.“
„ Er ist immer bei dir ... hier ...“ Anna deutet auf mein Herz. „Er weiß auch so, wie du aussiehst, sonst hätte er es dir nicht geschenkt.“
Draußen hupt das Taxi.
„Los, es wird Zeit, dass wir unsere Kleider ausführen“, lächelt Anna mir aufmunternd zu. „Schließlich habe ich nicht umsonst eine Stunde lang deine Haare geglättet.“
Ich lache gequält. „Showtime!“
Als wir in die Kirche betreten, geht ein Raunen durch die Gruppe der bereits anwesenden Gäste.
„Siehst du , wie sie dich alle ansehen“, flüstert Anna. „Ich glaube, jede Frau hier ist auf dich neidisch.“
Ein Fotograf, den Melanie engagiert hat, macht professionelle Bilder von allen Gästen. Ich komme mir vor wie eine Königin, wie ich so in meinem roten Seidenkleid über den Teppich schreite. Wir sitzen ganz vorne in der ersten Reihe. Das hat den Vorteil, dass wir einen direkten Blick auf das Brautpaar haben. Ohne Anna an meiner Seite würde ich mir zwischen den ganzen glücklichen Pärchen und Familien allerdings ein bisschen verlassen vorkommen. Aber das ist nun mein neues Leben – als Single. Anna und ich haben erst gestern die Vorzüge unseres Single-Daseins erörtert. Zum Beispiel kann man den ganzen Tag ungeschminkt in Jogginghosen durch die Wohnung laufen, ohne dass sich daran jemand stört. Man kann das dreckige Geschirr einfach stehen lassen, bis es von selbst wegläuft. Man hat des Nachts nicht das Gefühl, neben einer Herde grunzender und schnarchender Schweine zu liegen. Man kann ungestört Liebesfilme schauen, ohne sich einen doofen Kommentar anhören zu müssen wie: „Sieht du dir immer noch diesen Schmalz an?“ Während ich mit Florian zusammen war, habe ich mich gelegentlich dabei erwischt, wie ich darüber nachgedacht habe, wie schön es wäre, allein und unabhängig zu sein. Aber jetzt, wo ich es bin, fühle ich mich einfach nur einsam.
Die letzten Gäste sind endlich eingetrudelt und nehmen in den Bänken hinter uns Platz. Jede Reihe ist mit Blumengirlanden verziert. Sonnenlicht fällt durch die bunten Kirchenfenster und wirft farbige Flecken auf die Wand, was einen hübschen Kontrast zu der ansonsten eher tristen grauen Wandbemalung bildet. Der Altar ist festlich hergerichtet. Überall sind Kerzen verteilt.
Ich muss sagen, Melanie sieht einfach fantastisch aus, wie sie da so über den Steinboden in Richtung Altar schreitet.
„Melanie ist ja so schlank. Irgendwie hatte ich sie etwas fülliger in Erinnerung“, flüstert Anna mir zu.
„Bauch-Weg-Stütz -Unterwäsche“, wispere ich zurück. „Die reinste Geheimwaffe für Frauen wie sie und mich.“
„Diese hässlichen hautfarbenen Dinger?“, fragt Anna ungläubig. „Die hat meine Oma immer getragen.“
Ich nicke unauffällig. „Dazu eine Woche Hollywood diät. Ich bin froh, wenn Melanie endlich unter der Haube ist und mich nicht länger mit ihrem Gewicht und ihren schlechten Laune aufgrund ihrer Unterzuckerung nervt.“
Anna verzieht den Mund zu einem Grinsen.
Ich muss sagen, die eigens für den heutigen Tag engagierte Visagistin hat bei Melanie das reinste Wunderwerk vollbracht. Sollte ich in diesem Leben
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