Gluecksstern mit Schwips
Döner, also stell dich mal lieber hinten an.“ Ein Moralapostel! Das kann ich gut gebrauchen.
„Pass mal auf. Erstens bin ich nicht deine Schwester“, stelle ich die Sachlage klar. „Und zweiten s will ich keinen Döner, sondern einen Likör, wofür du definitiv noch zu jung bist.“ Mit diesen Worten lasse ich ihn stehen.
Als ich vor dem Regal stehe, schnappe ich laut nach Luft. Es ist, als ob sich alles gegen mich verbündet h ätte. Das Regal ist leer.
„Sie sind alle weg“, sage ich atemlos zu Anna. „Kein einziges Fläschchen mehr da.“ Tränen steigen mir in die Augen.
„Warte mal!“ Anna legt die Finger vor den Mund. „Das lässt sich schnell klären.“ Ein schriller, markerschütternder Pfiff lässt die Leute zusammenzucken. Anna grinst, als ich sie fragend ansehe. „Das lernt man, wenn man das einzige Mädchen in der Familie ist.“ Es herrscht Totenstille – alle Augen ruhen auf uns.
„Hassan“, ruft sie einmal quer durch den Raum.
Der Besagte hebt seinen Kopf. Seine dunklen Augen gleiten über die Wartenden zu uns. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, als er uns entdeckt.
„Hast du noch was von dem Likör?“ Anna deutet mit dem Zeigefinger auf das Regal.
Hassan legt die Hand hinter sein Ohr und schüttelt den Kopf.
„Hast du noch Ask Iksiri ?“, rufe ich lautstark über die Köpfe der Ladenbesucher hinweg.
„Alles verkauft“, schüttelt Hassan bedauernd den Kopf. „Musst warten , bis Mutter kommt zuruck aus Türkei.“
„Hat jemand zufällig ein kleines rotes Fläschchen bei dir abgegeben?“, starte ich einen weiteren verzweifelten Versuch, vielleicht doch noch Jim und das Fläschchen zu finden.
„Niemand.“ Hassans Goldzähne blitzen.
„Hey, Schwester, du hast den Chef gehört. Wenn du was zu trinken haben willst, kauf dir ne Flasche bei Tengelmann nebenan“, grölt der Typ von eben erneut.
Anna zeigt ihm den Stinkefinger. „Komm, hier gibt es nichts mehr für uns zu tun.“
Mutlos lasse ich die Schultern sinken. Das war‘s dann wohl. Schweren Schrittes verlasse ich Hassans Dönerladen. Tränen laufen mir heiß über das Gesicht. Wenn das so weitergeht, werde ich noch zur Heulsuse des Jahres ernannt.
„Sara, warte doch“, kommt mir Anna hinterher. Ich gehe weiter. Ich kann nicht anhalten. Ich will einfach nur noch weg. Ich fange an zu laufen. Schneller. Immer schneller. Ich nehme nichts um mich herum wahr. Jemand stößt gegen mich – oder bin ich es? Ich laufe und laufe. Irgendwann bleibe ich stehen. Ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Schluchzend breche ich zusammen. Es ist, als würde mein Herz in tausend Stücke springen.
Arme halten mich fest. Anna. Ich spüre, wie ihr Herz klopft. So bleiben wir stehen, bis meine Tränen versiegen und ich mich etwas beruhigt habe.
„Saraswati! Seit wann bist du unter die Marathonläufer gegangen?“, fragt Anna.
Ich muss unter Tränen lachen. „Komm , lass uns nach Hause gehen.“ Sie nimmt mich an die Hand.
13. Allein, allein ...
Eine Woche ohne Jim. Sieben Tage und sieben Nächte. Ich fühle mich so einsam wie noch nie in meinem Leben. Florian hat einmal angerufen, um mir mitzuteilen, dass er meine Sachen zusammengepackt ha be und sie abholbereit für mich in dem kleinen Nebenraum lägen. Ich solle ihm bitte im Gegenzug seinen Schlüssel dalassen. Der Idiot!
Die Leute sagen immer, die Zeit heile alle Wunden. Ich weiß nicht, wann der Heilungsprozess beginnt, bei mir jedenfalls tut es immer noch verdammt weh!
Ich stehe im Schlafzimmer und betrachte mich in dem großen Spiegel. Ich trage mein Cocktailkleid, das ich mir vor zwei Jahren aus einer Laune heraus zum sechzigsten Geburtstag meiner Mutter gekauft habe. Dank Annas Hilfe , jeder Menge Haarspray und einem Lockenstab, fallen meine Haare in weichen Wellen über meine Schulter.
Anna steht ausgehfertig neben mir und mustert sich mit kritischem Blick. Sie trägt ein schwarzes knielanges Kleid, indem sie äußerst elegant aussieht. Dazu hochhackige schwarze Pumps und um den Hals eine schlichte Goldkette. Ihre Haare hat sie locker nach hinten geflochten und dann zu einem Knoten am Hinterkopf gewunden.
„Du siehst einfach umwerfend aus. “
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben“, lächelt Anna zufrieden. „Das Kleid ist wirklich hübsch.“
„Hübsch langweilig. Aber das ist jetzt auch egal“, sage ich ein wenig traurig. „Wenigstens habe ich mir neue Schuhe besorgt, wenn ich schon kein neues Kleid habe.“ Wehmütig
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