Gluecksstern mit Schwips
geschminkt. Auf ihrem Gesicht muss eine zwei Zentimeter dicke Make-up-Schicht liegen, anders kann ich mir das maskenhafte Aussehen nicht erklären. Ihr roter Lippenstift leuchtet wie ein unschöner Blutfleck. Fast tut sie mir leid. Aber eben nur fast!
„Liebe Susanne, keineswegs. Ich freue mich, das s du kommen konntest.“ Rainer steht hastig auf und bietet ihr den freien Stuhl neben sich an. „Bitte, setz dich doch.“ Allerdings verzichtet er auf seinen üblichen Begrüßungskuss.
„Herr von Bergau“, Susanne drängt sich im Stechschritt an Rainer vorbei. „Welche Freude.“ Sie reicht ihm die Hand. Wolf von Bergau zögert einen Moment, bevor er einschlägt. „Wie ich gehört habe, sind Sie hier, um sich die Entwürfe anzusehen.“ Susanne wirft einen Blick auf die leere Leinwand. „Wo ist denn mein Entwurf?“
„Tja, weißt du … Es gab ein paar Veränderungen, während du im Krankenhaus warst“, beginnt Rainer. Die Schweißflecken unter seinen Armen werden mit jedem Atemzug größer.
„So?“ Susannes Blick gleitet durch den Raum, bis er schließlich auf mir haften bleibt. Könnten Blicke töte n, dann würde ich mich jetzt im Todeskampf röchelnd auf dem Boden winden. Ich würde mich am liebsten hinter der Leinwand verstecken, stattdessen recke ich meinen Hals und versuche, so selbstbewusst wie möglich auszusehen.
„Ja, weißt du , meine Liebe. Herr von Bergau war von deiner Idee nicht ganz überzeugt, deshalb haben wir nach einem Alternativvorschlag gesucht“, erklärt Rainer und tupft sich mit dem Taschentuch die schweißnasse Stirn.
Susannes Augen verengen sich zu Schlitzen. „Aha!“ Ihre Stimme schneidet durch den Raum.
„Ja, Sara und Melanie aus deinem Team haben mir einen äußerst originellen Entwurf vorgelegt“, lächelt Rainer unsicher.
„Du hast einen Entwurf von diesen beiden Dilettant innen meiner Idee vorgezogen?“, scheppert Susannes Stimme schrill durch den Raum.
„Susanne … Liebes … bitte, beruhige dich doch“, bittet sie Rainer und hebt beschwichtigend die Hände.
„Ich bin nicht dein Liebes. Das kannst du dir sparen! Es hat sich ausgeliebt!“ Ihre Hände sind zu Fäusten geballt. „Du hast mich nicht einmal im Krankenhaus besucht. Einen läppischen Telefonanruf habe ich von dir erhalten, sonst nichts.“
Wolf von Bergau räuspert sich betreten. Im Raum ist es mucksmäuschenstill.
Genau in diesem Moment geht die Tür auf , und Melanie kommt hereingestürmt.
„Die Bilder sind da!“
Keiner sagt ein Wort. Melanie bleibt mit einem Ruck stehen und versucht, die Situation zu erfassen. „Susanne?!“, flüstert sie leise.
„Allerdings, du kleine , fette, miese Schlange“, zischt Susanne. „Das hätte ich mir ja gleich denken können, dass du mit der da ...“ Sie deutet auf mich, „… unter einer Decke steckst.“
Melanie wirft einen panischen Blick in meine Richtung. Ich schlucke trocken.
„Susanne, bitte!“ Rainer ringt mit den Händen in der Luft.
„Ach, halt den Mund !“, zischt Susanne. Rainer zuckt sichtlich zusammen.
„Vielleicht sollte ich besser gehen“, schlägt Wolf von Bergau vor. „Bis Sie Ihre äh ... Kommunikationsprobleme innerhalb des Teams geklärt haben.“ Er schiebt die Papiere vor sich zurück in seine Aktentasche.
„Nein, bitte warten Sie!“, fleht Rainer. „Frau Walter ... steht noch immer unter großem emotionalen Stress.“
Mit einer Geschwindigkeit, die ich ihr nicht zugetraut hätte, ist Susanne bei Rainer.
„Du mieses Schwein“, schreit sie mit gehobener Hand. Und , ehe sich Rainer versieht, versetzt ihm Susanne eine gepfefferte Ohrfeige. „Und bevor du fragst, das war für den schlechten Sex!“ Dann dreht sie sich wortlos um. Rainers Wange ist feuerrot. Susanne geht schnurstracks zu Wolf von Bergau. Der arme Mann macht einen Schritt zurück. Sein Gesicht ist weiß wie die Wand. Susanne reicht ihm die Hand, dabei setzt sie ein Lächeln auf. Zumindest glaube ich, dass es sich um ein Lächeln handelt.
„Herr von Bergau , falls Sie eine neue Werbemanagerin suchen, können Sie sich gerne an mich wenden.“ Sie reicht ihm eine Karte. „Hier ist meine Nummer. Es war schön, Sie wiederzusehen.“ Dann macht sie auf dem Absatz kehrt und rauscht, ohne uns weiter eines Blickes zu würdigen, aus dem Zimmer. Rainer sinkt erschöpft auf seinen Stuhl. Wolf von Bergau starrt Susanne mit offenem Mund hinterher.
Ich atme erleichtert aus. „Na, nachdem das auch geklärt wäre, können wir ja anfangen.“
11. Eine
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