Gluecksstern mit Schwips
Wenn Sie mir folgen möchten, kann ich Ihnen die neuen Kleider gerne einmal zeigen.“
„Nein“, unterbreche ich sie. „Mein Freund hat sich versprochen. Ich suche kein Hochzeitskleid für mich, ich suche nur ein Abendkleid für die Hochzeit meiner Freundin.“
„Ach so“, sagt die Verkäuferin ein wenig enttäuscht. „Na , dann müssen wir mehr in diesem Bereich schauen.“ Sie deutet mit der Hand auf die gegenüberliegende Wand, wo eine Auswahl an Kleidern sorgfältig aufgereiht hängt. „Hatten Sie eher an ein Cocktailkleid oder an ein langes Abendkleid gedacht?“
„Lang ...“
„Kurz“, fällt mir Jim ins Wort.
Der Blick der Verkäuferin wandert unsicher zwischen mir und Jim hin und her.
„Kurz“, nicke ich. Jim grinst.
„Und welche Farbe bevorzugen Sie?“
„Etwas Unauffälliges“, antworte ich.
Jim schweigt. Gott sei Dank.
Die junge Frau führt uns zu einer Reihe Kleider. Mit zielsicherem Blick greift sie nach einem puderfarbenen Kleid. „Wie gefällt Ihnen dieses Modell?“
„Sehr schön“, hauche ich ehrfurchtsvoll. Das Kleid ist knielang und hat einen zarten Satingürtel um die Taille. Die Ärmel sind aus puderfarbenen Organzstoff. Das Kleid ist ein Traum, soviel ist sicher. Die Frau nickt zufrieden.
Die Verkäuferin mustert mich mit fachmännischem Blick. „Größe 40?“
Ich nicke verschämt.
„Dann ist das genau die richtige Größe. Möchten Sie es einmal anprobieren?“ Sie deutet auf die gegenüberliegende Seite, wo sich die Umkleidekabine befindet.
Jetzt, wo ich das Kleid in der Hand habe, kann ich der Versuchung nicht widerstehen. „Gerne.“
Ich will gerade in der Umkleidekabine verschwinden, als Jim um die Ecke kommt. Stolz präsentiert er mir ein rotes Cocktailkleid. „Na, was meinst du?“
„Rot?“ Ich hebe erstaunt die Augenbraue. Tatsächlich ist Rot meine Lieblingsfarbe, aber ich würde niemals wagen, etwas derart Auffälliges in der Öffentlichkeit anzuziehen. Das Kleid geht knapp bis zum Knie. Der Rock ist leicht ausgestellt. Der Rückenausschnitt ist verboten tief. Selbst auf dem Bügel ist das Kleid ein absoluter Hingucker.
„Du wirst darin wie die schönste der Blumen aussehen“, schwärmt Jim.
„Ich weiß nicht“, sage ich zögerlich. „Findest du es nicht ein bisschen zu auffällig für mich?“
Die Verkäuferin nickt mir aufmunternd zu. „Wenn Ihr Freund das Kleid so schön findet, warum probieren Sie es nicht einfach? Ich könnte mir gut vorstellen, dass Ihnen die Farbe ganz ausgezeichnet steht.“
„Einverstanden.“
Die Verkäuferin reicht mir beide Kleider. Ich verschwinde freudig in der Umkleidekabine. Normalerweise haben die Umkleidekabinen, die ich kenne, die Größe eines Schuhkartons, in dessen Mitte man eine Energiesparlampe gehängt hat. Darin befindet sich meist ein Spiegel, der einen ungeschönten Blick auf die Oberschenkel und andere sensible Stellen eines weiblichen Körpers gewährleistet. Kein Wunder also, dass selbst Frauen mit einem ansonsten gesunden Selbstbewusstsein auf Teppichhöhe und mit Minderwertigkeitskomplexen geplagt aus derlei Räumlichkeiten kriechen.
Als ich die Umkleidekabine im Salon betrete, bin ich angenehm überrascht. Das Licht ist weich und der Raum so groß, dass ich mich bequem, ohne Verrenkungen zu machen, umziehen kann.
Ich greife als Erstes nach dem puderfarbenen Kleid. Oh je, ich habe meine verfärbte Unterwäsche an. Die, die eigentlich mal weiß war und jetzt in einem Grauton leuchtet, da ich sie zusammen mit Schwarz gewaschen habe. Hoffentlich kommt keiner rein und sieht mich! Meine Hände zittern, als ich den kostbaren Stoff überziehe. Das Kleid sitzt ein wenig eng um die Hüfte. Ich schiele nach meiner Oberweite, was ein unschönes Doppelkinn erzeugt. Andere Baustelle! Oben sitzt es perfekt! Ich straffe den Rücken, drücke die Brust heraus, bevor ich nach draußen gehe. Ja, als begeisterte Germanys Next Topmodel-Seherin weiß ich, wie man sich bewegen muss, um sein Publikum zu begeistern. Könnte Jorge Gonzales [3] mich jetzt sehen, er wäre begeistert.
„Und?“ Ich schaue fragend zu Jim, der es sich in einem Sessel gemütlich gemacht hat. „Gefällt es dir?“ Er sieht einfach zum Anbeißen aus. Das scheint die Verkäuferin auch zu denken, jedenfalls lächelt sie ihn pausenlos an. Jim hat nur Augen für mich. Er verfolgt jeden meiner Schritte.
Als ich ihn ansehe, gibt er mir ein Zeichen, mich zu drehen. Ich lächele und gehorche. Meine Haut prickelt, als ich seinen Blick
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