Glühende Leidenschaft
was sie von all dem halten sollte, und hoffte nur, dass ihr Gatte wenigstens gelegentlich einmal einen friedlichen Moment hatte. Vielleicht war es auch ganz gut, dass es für sie hier offenbar keine Arbeit gab; sie würde sich allein schon damit verausgaben, mit ihm mitzuhalten.
Aber er hatte etwas an sich.
Etwas beinahe Magisches …
Sie fasste sich wieder und fragte sich, was er machte. Mit einem Gefühl ähnlich dem, das sie immer befiel, wenn man ihr den temperamentvollen dreijährigen Sohn der Ramillys allein überlassen hatte, kletterte sie aus dem Bett und ging Stimmen nach, die vom oberen Flur kamen.
Sie fand den Grafen mit den Zwillingen auf dem Boden eines Schulzimmers, wie er eine Spielzeugkutsche hin und her rollte. Als er sie gewahrte, blickte er mit einem breiten Lächeln auf und hielt die Kutsche hoch. »Ist sie nicht großartig? Ein exakter Nachbau der Stadtkutsche, die meine Eltern besaßen!«
Das Ding sah ein wenig mitgenommen aus, aber es war fast ein Kunstwerk, blau bemalt, mit kleinen goldenen Handgriffen und einer Krone an der Tür und innen mit brokatbezogenen, gepolsterten Bänken. Meg erkannte, dass es eine exakte Nachbildung der Kutsche war, in der sie heute gefahren waren. Sie musste aus seinen Kindertagen stammen oder war gar noch älter. Gehörte es zur aristokratischen Tradition, alles zu erhalten? Sie hatte auch schon bemerkt, dass die meisten Möbel in diesem Haus bereits Jahrhunderte alt waren.
»Früher waren auch noch Pferde daran«, sagte er, gab die Kutsche Richard und stand auf. »Und Figuren gehörten auch dazu.«
»So wie diese, Sir?« Rachel holte aus einer Holzschachtel ein geschnitztes Männchen hervor, dem allerdings ein Teil eines Arms fehlte.
»John, der Kutscher!« Der Graf kauerte wieder nieder und setzte die Figur vorsichtig auf die Fahrerbank; er musste sie an eine der seitlichen Pfosten lehnen, damit sie nicht umfiel. Nach einem hoffnungsvollen Blick in die Schachtel zuckte er die Achseln. »Wir müssen neue machen lassen. Jetzt«, fuhr er an die Zwillinge gewandt fort und erhob sich wieder mit fließenden Bewegungen und dieser Kraft ausstrahlenden Anmut, die Meg an Raubtiere erinnerte, »ist es Zeit, dass ihr mich in euer altes Zuhause bringt und mir eure Spielsachen zeigt.«
Unter unaufhörlichem Plappern nahmen ihn die Zwillinge in ihre Mitte und schleiften ihn beinahe aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Meg fühlte sich wie betäubt vor Glück, sodass ihr fast die Tränen kamen, und folgte den dreien mit Jeremy und Laura.
»Er scheint sehr nett zu sein«, meinte Laura vorsichtig.
»Das ist er«, stimmte Meg zu, wenngleich ihr »nett« nicht das richtige Wort zu sein schien. Sie wünschte nur, sich nicht so vor einem Gefühlsumschwung bei ihm zu fürchten.
Was würde passieren, wenn er etwa beschloss, sie oder eines ihrer Geschwister als einen Feind zu betrachten, so wie seine Großmutter?
»Werde ich mein Studium bei Dr. Pierce fortführen können?«, fragte Jeremy.
Fast hätte Meg gesagt, da müssten sie den Grafen fragen, doch dann beschloss sie, dass es ihr als Ehefrau eines reichen Grafen – mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich brachte – gestattet sein musste, solche Entscheidungen zu treffen. »Ja, natürlich. Und wir können dir auch diese griechischen Texte kaufen, die du haben wolltest. Neu.«
7
Sie drängten sich alle in zwei Kutschen; dieses Mal hatte der Graf nichts dagegen, dass die Zwillinge bei ihm und Meg mitfuhren. Da die Kleinen ohne Punkt und Komma plaudern konnten, brauchte Meg keine Konversation zu führen.
Als sie in die Nähe ihres alten Hauses kamen, musste sie über die Kommentare der beiden lächeln.
»Da ist Ned, der Lumpensammler«, sagte Richard.
»Er sieht schlimm aus, Sir«, steuerte Rachel bei, »aber er ist schwer in Ordnung. Und das da ist Mrs Pickett mit ihrem Hund.«
»Der beißt, Sir. Bei dem muss man aufpassen. Da ist das Kurzwarengeschäft. Langweiliges Zeug.«
»Stimmt doch gar nicht! Sie haben sehr schöne Bänder. Und Schließen und Knöpfe, alles Mögliche. Da ist der Buchladen. Und das Hutgeschäft.«
»Hüte!«
»Lord Saxonhurst hat auch einen, also!«
»Aber er hat ihn von seinem Hutmacher. Stimmt’s, Sir?«
»Schon. Allerdings wüsste ich nicht, weshalb das einen Unterschied machen sollte.«
»Weil wir an unseren Hüten keine Blumen haben möchten, nicht wahr, Sir?«
Während sich die Zwillinge darüber verbreiteten, ob Männerhüte »doofer« waren als die der Frauen,
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