Glühende Lust
vermutlich hat jeder auch etwas Kupfer oder andres bei sich, das er dafür geben kann«, sagte er leise, so dass nur sie es verstand. Er neigte sich und küsste ihre Schläfe. »Den Rest des Natrons tauschen wir gegen etwas anderes ein, kleine Göttin.«
Er fasste sie am Ellbogen und führte sie in die Tiefen des Marktfestes. Zahllose Fackeln und Ölschalen erhellten die Mauer, die hinter dem Treiben wie eine Festung aufragte. Das Tor war verschlossen. Merit krallte die Finger so fest in Schanheribs Hand, dass er fragend zu ihr herabblickte. Sie hatte zu Tani gesagt, sie wolle ihm helfen, damit er es ihr irgendwann vergelte, indem er sie zu ihrem Vater brachte. Aber wie sollte das für ihn möglich sein? Sehnsüchtig starrte sie die Mauer hinauf.
Der Lärm ringsum nahm zu, es herrschte ein Geschiebe und Gedränge, so dass ihr ständig jemand gegen die Schultern stieß. Viele Ägypter liefen herum, und ihre Mienen schwankten zwischen Abneigung, Neugier, Angst und Lust an der fremden Kultur. Überall roch es nach Gebratenem, Bier und etwas Beißendem, das vermutlich jener Rauschtrank war. Merit hörte vertraut klirrende Klänge von Sistren und Meniut und ihr Herz war verwirrt. Über einem Pulk von klatschenden Zuschauern erblickte sie gereckte Hände, welche die heiligen Fingerinstrumente schwangen. Sie gehörten nicht den Priesterinnen der Tempel.
»Weit größer als dieser Palast ist der in Ninive!«, hörte sie eine dunkle Stimme sich über alle erheben. »Asarhaddons Vater erbaute ihn, aus Gold, Bronze, Silber, aus Alabaster und vielerlei Hölzern, jedes so wertvoll wie Kupfer und aus weit entfernten Ländern herangeschafft. Aus Ländern, die sich alle dem König der vier Weltgegenden beugen. Der Palast ohnegleichen wird nur noch von einem Bauwerk übertroffen, und das ist der Tempel der Ischtar. Hundert Hallen und Gärten birgt der Palast, tausend Statuen, jede so groß wie vier Männer. Die Bronzesäulen des Eingangs sindschwer wie hundert Ochsen, und sie werden getragen von gewaltigen bronzenen Löwen …«
»Ich will das nicht hören!« Merit riss sich von Schanherib los, um rasch weiterzulaufen. »Was bildet er sich ein, mit so etwas in Sichtweite der Pyramiden zu protzen?«
Ein assyrischer Krieger war plötzlich bei ihr und schob sie weiter. »Die bröckeln doch längst.« Er kniff ihr in die Wange. »Mit eurem Ruhm ist’s lange her, nicht wahr? Sieh hin, sieh genau hin!«
Eine Lichtung tat sich vor ihr auf. Da stand eine Alabasterstatue des Stadtgottes. Ptah, der in Mumienbinden gewickelte Schöpfergott, erhaben in sich gekehrt, seinen Stab in den aus den Binden ragenden Händen. Auf seiner blauen Kappe, dem für gewöhnlich einzigen Kopfschmuck, saß die assyrische Spitzhaube Assurs. Fünf Stierhornpaare ragten aus ihren Seiten, eine abscheuliche Verhöhnung des besiegten Gottes. Daneben stand die aus ihrem Tempel gezerrte Figur der Kriegsgöttin Neith. Ihr hatte man die Rote Krone Unterägyptens heruntergeschlagen. Die Augen waren beschädigt, blind starrte sie. Neith, die Mutter des Sobek. Merit schlug die Hände vor das Gesicht, konnte es aber nicht lassen, zwischen den Fingern hindurchzublicken. Vor einer dritten Statue, der des Min, tanzte eine nackte Assyrerin. Die Umstehenden klatschten, trieben sie an, ihr abscheuliches Vorhaben auszuführen. Sie umklammerte den Gott, reckte sich auf die Zehenspitzen. Ein Mann hob eines ihrer Beine, damit sie es leichter hatte, das abstehende Glied des Fruchtbarkeitsgottes in sich einzuführen. Der Alabaster teilte ihre Schamlippen. Sie ruckte näher an ihn heran und schrie voller Lust so laut, dass es das Kreischen der Menge noch übertönte.
Wild warf sie die bis zu den Hüften reichende Mähne herum und schaukelte sich mit gespreizten Beinen vor und zurück.
Eine Hand presste sich von hinten auf Merits Wange. »Gefällt dir das?«, rief der Krieger in ihr Ohr. »Würdest du das bei mir tun? Mein Riemen ist so stramm wie der eures Gottes, nur ein bisschen lebendiger!«
Sein Lachen erstarb abrupt. Schanheribs Hand klatschte so fest auf seinen Unterarm, dass er sie loslassen musste. Voller Verachtung musterte ihn der Assyrer. »Ich könnte dich dafür köpfen lassen«, knurrte er und wollte nach dem Emailleamulett greifen. »Gib mir das.«
Schanherib kehrte ihm grob den Rücken zu und schob Merit weiter. Sie hasteten durch die Menge, dorthin, wo es lichter und ein wenig ruhiger wurde. Merit blickte zurück, aber der Assyrer war nicht mehr zu
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