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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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so konnte er nicht sehen, dass sie sicherlich tiefrot war. Das Rascheln des Schilfes drohte ihre Worte zu verschlucken. »Denn vorher müsstest du es mir zurückgeben. Das würdest du doch tun, oder?«
    »Ich bin gekommen, um zu rauben«, sagte er. Und küsste sie erneut.

9 . K APITEL
    Sie war längst geraubt, er hatte sich ihres Kas bemächtigt, ihrer Lebenskraft. Ihres Bas, ihrer Seele. Wenn seine Haut an ihrer rieb, war es ihr, als hätten die Götter ihr den einzigen Mann an die Seite gerufen, der ihr Ka und Ba in seinen großen Händen festzuhalten und zu schützen vermochte. Darum hatten sie ihn in Nanachts Haus geführt.
    Dass er zum Feind gehörte – auch dafür gab es vielleicht einen Grund, den sie jetzt nur nicht erkennen konnte.
    Schanherib hatte den Arm um ihre Schultern gelegt, ihrer ruhte um seine Mitte. Ob auch Assyrer ein Ka besaßen? Es musste ja so sein, denn unter ihren Fingern bewegte sich das schiere Leben.
    Auf seiner Schulter lag wie zufällig das Tuch und diente dazu, die Wunde zu verbergen. Seinen Bronzearmreif hatte er gedreht, so dass die assyrische Achatsonne an der Innenseite seines Arms verborgen war. Er gab sich sorglos, aber ihr entging nicht, dass er aufmerksam war. Weshalb er von seinen eigenen Landsleuten bedroht wurde – auch dies war eine Seltsamkeit, auf die nur die Götter eine Antwort wussten. Und er, aber er schwieg sich aus.
    Seine Haare waren für einen Ägypter viel zu lang und nicht so glatt; er strahlte damit einen Hauch fremdartiger Wildheit aus. Er hatte es im Nacken miteiner Schnur zusammengefasst, was er offenbar für ägyptisch hielt. Immerhin nannte auch der assyrische Händler ihn einen Einheimischen. »Glaub mir«, versicherte der dickbäuchige Mann immer wieder, »dass ich keinen Handschlag getan habe, deine Stadt zu erobern. All die schlimmen Dinge, die da geschehen sind, bei Assurs Weisheit, das bedaure ich!«
    Merit rümpfte die Nase und wandte den Kopf zur Seite. Gekämpft hatte der fette Kerl bestimmt nicht, aber unglücklich über das Ergebnis des Feldzuges dürfte er nicht sein, ebenso wenig all die anderen zahllosen Händler, Betrüger, Huren und wen sonst noch das Heer im Schlepptau gehabt hatte. Der Platz vor der weißen Mauer des Per-Ao war voll von Zelten, Hütten, Garküchen, Tischen und Tüchern, auf denen sie ihre Waren feilboten. Das meiste davon stammte wahrscheinlich aus den Häusern der geplünderten Ägypter. Aber Merit sah auch allerlei Krüge, Töpfe und Schalen mit fremdartigen Mustern, grob ausgeführt in ihren Augen, aber von schöner Farbenpracht. Viele fremde Götterfigürchen und Amulette. Es duftete nach fremden Gewürzen. Und in der Luft schwirrte die fremde Sprache.
    »Du willst behaupten, dass man das Zeug essen kann?«, fragte Schanherib den Mann in bestem Ägyptisch.
    »Überzeuge dich!« Der Assyrer drückte ihm einen kleinen Holzspieß in die Hand. Merit presste die Lippen zusammen, als sie die fünf Heuschrecken darauf sah. Eine zog Schanherib ab und steckte sie sich in den Mund. Es knackte widerlich.
    »Scheußlich«, fuhr er den Händler an.
    Jammernd rang der Assyrer die Hände, kehrte ihnen den Rücken und beugte sich über seinem Stand. Mitzwei Schälchen wandte er sich ihnen wieder zu. »Hier, Honig und eine Würztunke. Damit wird der Genuss erst wirklich wahr.«
    Schanherib pflückte eine Heuschrecke vom Spieß, tauchte sie in den Honig und hielt sie Merit unter die Nase. »Bitte nicht«, sagte sie, und kaum hatte sie den Mund geöffnet, steckte das Ding zwischen ihren Zähnen. Er verschloss ihren Mund mit der Hand, so dass ihr kaum etwas anderes übrigblieb, als zu kauen.
    Unter dem Honig schmeckte sie etwas, das sie an knusprige Entenhaut erinnerte. Sie starrte in Schanheribs Augen. Er konnte sich das Lächeln kaum verkneifen. Wie dreist von ihm! Tapfer kaute sie auf dem Insekt herum und schluckte.
    »Nun?« Der Händler bettelte um Lob.
    »Also …«
    »Siehst du, ihr schmeckt es auch nicht.« Rasch befreite Schanherib den Spieß von den restlichen Heuschrecken und aß sie mit scheinbarem Widerwillen, wobei er reichlich Gebrauch vom Honig machte. Dem Händler schlug er kräftig auf die Schulter. »Gib einem eroberten Volk Zeit, sich an solche barbarischen Abartigkeiten zu gewöhnen. Bezahlt werden willst du dafür ja sicher nicht?«
    Ermattet schüttelte der Assyrer den Kopf. »Ich verstehe es nicht, ich habe noch jeden überzeugt«, murmelte er in seinen gelockten Bart.
    Schanherib zog sie weiter. »Nun,

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