Glühende Lust
sehen.
»Ich bedauere das«, sagte Schanherib. »Ich hätte nicht erwartet, dass sie eure Götterfiguren schänden.«
»Ich habe genug von dieser … Feier!«
»Eines noch. Nur eines noch.«
Er führte sie zu einem kleinen Zelt. Auf die Eingangsplane waren Sterne gemalt. Ein schlaksiger, älterer Assyrer hockte davor und schob sich bröckeligen Ziegenkäse zwischen die wenigen Zähne. Das Natronsäckchen öffnete er interessiert, nickte und wechselte mit Schanherib einige assyrische Worte. Dann hob er einladend die Plane. Schanherib musste sich tief ducken, als sie eintraten. Der Alte entzündete ein Öllämpchen, das von der Decke hing. Sie hockten sich auf einen staubigen Teppich. Während Schanherib über was auch immer sprach, holte der Mann aus einem Beutelmehrere Tonkissen, in die Keilschriftzeichen eingedrückt waren. Die verteilte er vor sich auf dem Teppich. Derweil lauschte er Schanheribs Ausführungen und nickte hin und wieder. Als Nächstes holte er geknotete Schnüre heraus. Ebenso Steine, in die seltsame geflügelte Gestalten geschnitten waren.
»Erzähl deinen letzten Traum«, forderte Schanherib sie auf. »Und sage, wann genau du geboren bist. Dieser Mann kann die Sterne deuten und Dämonen vertreiben. Und mit etwas Glück kann er sagen, was uns beide erwartet.«
»Du kennst ihn?«
»Nein. Solche Männer gibt es in Ninive auf jedem Markt. Und im Palast Dutzende von ihnen. Einer hat die Sonnenfinsternis vorausgesehen und unseren Sieg verkündet.«
»Ich verstehe«, murmelte sie unbehaglich. Sterndeuter, ja, die gab es auch hierzulande, nur dass jener des Pharao im Irrtum gewesen war, als er verkündet hatte, die Finsternis sei für Ägypten ein gutes Zeichen. Und da sollte sie diesem Alten vertrauen? Sie atmete tief ein. »Nun ja … Ich schwamm im Nil, und da war eine Barke. Sie war ganz schmal und lang, mit einer Kajüte. Ich weiß nicht, wer darin war, aber sie schien einer edlen Familie zu gehören, denn alles war mit Blattgold belegt. Am Heck hockte Kawit. Sie haschte nach einem hochspringenden Fisch und fiel ins Wasser. Ich war so entsetzt und bin zu ihr hingeschwommen, aber es gelang mir einfach nicht, sie zu packen. Dann war ich plötzlich am Ufer, und sie war auch da, triefend nass, aber wieder konnte ich sie nicht greifen, sie ist ins Schilf gesprungen. Und ich war so traurig.«
Schanherib kräuselte die Stirn. »Ich fürchte, dieserTraum hat gar nichts zu bedeuten.« Dennoch übersetzte er ihn. Der Alte blickte sie ab und zu lächelnd an. Seine Finger spielten auf den verteilten Tonkissen. Nachdenklich wiegte er das Haupt, tippte sich an die Wangen. Schließlich nahm er ein flaches Kästchen zur Hand und öffnete es. Ein Spielbrett befand sich darin. Rundliche Figürchen aus unterschiedlichen Schmucksteinen, einer farbenprächtiger als der andere.
»Das ist ein Spiel«, erklärte Schanherib. »Das Ergebnis kann etwas über unsere Zukunft sagen.«
Merit berührte einen rundlichen Rosenquarz, der Ansätze von Frauenbrüsten und Gliedmaßen aufwies. »So etwas machen wir hier auch! Kannst du mir euer Spiel beibringen?«
Der Sterndeuter drückte ihr das Kästchen in die Hände und deutete auf den hinteren Vorhang. Schanherib bekam das Lämpchen in die Hand gedrückt und schob sich geduckt darunter hindurch. Kichernd verschwand der Alte wieder ins Freie.
»Hier sollen wir das machen?«, fragte Merit. Der hintere Raum erwies sich als kleine, mit Fellen und Teppichen ausgelegte Höhle. Schanherib hängte das Lämpchen an einen Haken, der in einer Querstange unterhalb der Zeltdecke steckte. Die Schlafstatt des Sterndeuters? Oder …
»Du hast das gewusst und mich hergelockt«, murmelte sie, als er sie in die Arme schloss und ihre Halsbeuge liebkoste.
»Ja, natürlich.« Er zwinkerte ihr zu. »Aber assyrische Wahrsagerei ist undurchschaubar; glaub mir, ich verstehe davon rein gar nichts. Als ich das letzte Mal so eine Hütte aufsuchte, war das, bevor das Heer aufbrach. Ich wollte wissen, ob ich die Sache überlebe.
Eine Antwort bekam ich nicht, aber ich musste in einem ähnlichen Räumchen auf einer Teigkugel meinen Samen hinterlassen. Den knetete der Sterndeuter in den Teig und vergrub sie. Es sollte den Todesdämon bannen, den die Götter mir vielleicht schon auf die Fersen geheftet hatten. Nun ja, entweder war er tatsächlich nicht mehr da, oder du hast ihn dann vertrieben.«
Er fasste den Saum ihres Kleides. Hielt inne, wartete wohl auf Widerspruch. Und als sie sich nicht
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