Glühende Lust
Erinnerungen auf einen Haufen. Alles fügte sich zusammen: Schanheribs Stimme, die seiner geähnelt hatte. Tani hatte es erahnt, sie jedoch war blind und taub gewesen. Der Bronzereif mit der Achatsonne. Die Art, wie er sich bewegte und kämpfte. Sogar an den in das Licht des Mondgottes getauchten Körper dachte sie, als er sich drohend über der syrischen Sklavin erhoben und seine Lust in ihren Mund gezwungen hatte. Alles passte zusammen, alles war richtig.
Nur dass sie diesen Mann liebte, war auf grausame Art falsch.
Sie grub die Finger in die Haare, zerrte daran. Wollte die letzten Tage mitsamt dieser Liebe aus sich herauszerren. Es tat so weh, dass ihr die Tränen in die Augen traten. Undeutlich nahm sie wahr, dass sich ein weiterer Mann ihm näherte, den weder sie noch er bemerkt hatten. Dieser und die anderen zwei bedrängten ihn. Sie hörte seinen überrascht keuchenden Schmerzenslaut, als hätten sie seine Wunde getroffen. Die Erde schien zu erzittern, als er auf die Knie sackte. Sie prügelten auf ihn ein. Spien auf ihn. Schütteten hasserfüllte Worte über ihm aus, die wie Flüche klangen. Dann zerrten sie ihre verletzten Kameraden hoch und taumelten zurück auf den belebten Platz. Dort schien kein Mensch etwas bemerkt zu haben. Das schrille Gelächter, die Musik, alles klang seltsam fern.
Ihr war, als harre sie eine halbe Nacht hier aus. Ihre Glieder fühlten sich zerschunden an, als sie sich auf die Füße stemmte und auf ihn zuwankte.
Er lag halb auf dem Bauch, der Länge nach hingestreckt, das Gesicht im Schmutz. An seiner Schläfe klebte ein dunkler Fleck. Sie beugte sich über ihn, wartete, dass er sich rührte, etwas sagte – nichts geschah. Dennoch verspürte sie Furcht vor ihm. Er hatte die gut bewachte Barke ihres Vaters fast im Alleingang erobert. Er hatte Nefertem mitleidlos niedergerungen. Unter seinem Bart einen Menschen – einen äußerst anziehenden Menschen – vorgefunden zu haben, war nur eine Täuschung gewesen. Er war nicht anders als die, die ihn niedergeknüppelt hatten.
Sie wich vor ihm zurück. An der nächsten Hauswand sackte sie nieder und zog die Knie an. Sie schlug die Hände vors Gesicht, schluchzte schrill auf und ergab sich dem haltlosen Zucken ihres Leibes.
10 . K APITEL
»Wach auf. Wach auf!« Grob klopfte jemand gegen seine Wange. Er knurrte unwillig. Schmerzen, im ganzen Körper. Eine fremde Umgebung. Hatte er so etwas nicht bereits erlebt? Vor einigen Tagen erst, nach seiner Flucht aus dem Palast? Als eine bronzeharte Hand an seinem Kinn rüttelte, wollte sein Kopf wie spröder Alabaster zerspringen. Er riss eine Faust hoch, um sie beiseitezuschlagen, aber mit diesem schwachen Hieb hätte er bestenfalls eine Fliege verscheucht. Er tastete die Stirn hinauf, wo sich sein alter Freund Pazuzu wieder einmal festgebissen hatte.
»Na endlich. Ereschkigal ist gnädig mit dir und entlässt dich aus ihren Todesfängen. Dank sei Assur.«
»M…ardak?« Er hob den Kopf und zwang die steinschweren Lider, sich zu heben. Wahrhaftig, er lag auf einem Bett, und daneben saß auf einem Hocker der breitschultrige Mardak und musterte ihn zugleich besorgt und grinsend.
»Du hast einen Steifen, Herr.« Mardak klopfte ihm auf die Schenkel. »War der Traum so gut?«
»Kann mich nicht erinnern«, murmelte Schanherib und ließ den schweren Kopf wieder auf ein Kissen niedersinken. Wo befand er sich hier? Seine Finger berührten feines Leinen. Auf einer so weichen Unterlage hatte er in letzter Zeit nur einmal geruht: im Haus des Tajti. Vielmehr in seinem Haus. »Was bei Assurs fünfHornpaaren … Wie komme ich … Ihr Götter, ist mir schlecht.«
Er wälzte sich auf die Seite und erbrach sich über den Bettrand, genau in eine Schüssel, die man dort platziert hatte. Offenbar tat er das nicht zum ersten Mal.
»Und?« Ursu-Gila und Hardu betraten das Gemach.
»Er kotzt wieder, aber diesmal bei Bewusstsein. Ein gutes Zeichen. Herr«, Mardak wandte sich wieder an ihn. »Wir wollten einen Arzt und Dämonenaustreiber holen, aber dein seltsamer Zustand hielt uns davon ab, Aufhebens um eine Sache zu machen, die vielleicht besser im Verborgenen bleibt. Erkläre es uns. Wo warst du all die Tage? Im Palast konnte oder wollte uns das niemand sagen. Uns hat man gesagt, dass wir dieses Anwesen bis morgen räumen müssen. Gehört es nicht mehr dir?«
»Vermutlich nicht. Seit wann liege ich hier? Und wie kam ich überhaupt her? Ihr Götter, ich habe entsetzlichen Durst.«
Einer der Männer
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