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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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glücklicherweise nicht stark blutete.
    Niemand hielt ihn auf. Die Stadt war ruhig, als müsse sie sich erholen vom Fest der vorigen Nacht. Als er vor Nanachts Tür stand, keuchte er so stark, dass er glaubte, es müsse jeden aufwecken. Er klopfte, schlug dann fester. »Merit!«, rief er gepresst das Dach hinauf; vielleicht lag sie dort. Dann lauter: »Merit!«
    Gedämpft hörte er von irgendwo Nanacht rufen, er möge sich ins Duat, die ägyptische Unterwelt, scheren. Verflucht! Er wandte sich ab, stemmte unschlüssig die Hände in die Seiten, blickte die Gasse hinauf und hinab. Vielleicht war Merit dorthin gelaufen, wo sie herstammte? Nein, das konnte nicht sein. Wenn ihr dieser Weg offen stand, hätte sie ihn längst genommen. Sie war ihm plötzlich ein einziges Rätsel geworden.
    Hinter ihm räusperte sich jemand. Er stob herum. Durch den Türspalt lugte Tani.
    »Ist Merit da?«, fuhr er sie an.
    Sie zuckte zurück. »Nein. Zur Dämmerung gestern ist sie weggelaufen«, sagte sie leise. Er konnte ihre Abneigung oder Furcht beinahe riechen. »Ich mache mir solche Sorgen.«
    »Du hast keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
    Sie biss sich auf die Lippen.
    »Sag es, in aller Götter Namen. Sag es!«
    Die Katze lugte zwischen ihren Beinen hervor und begrüßte ihn maunzend. Eilends bückte sich Tani und hob sie auf den Arm, bevor sie durch den Spalt huschen konnte. »Ich glaube … ich glaube … im … aber sie wird nicht wollen, dass ich das sage.«
    »Tani, bring mich nicht zur Weißglut. Ihr habt keinen Grund, euch vor mir zu fürchten. Ich liebe sie. Leg endlich deinen dummen Argwohn ab, ich bin kein Ungeheuer.«
    »Aber du hast uns an eines erinnert.«
    » Was habe ich?«
    »Ja … ja …«, stammelte sie. »Einer ganz wie du hat doch unsere Barke überfallen.«
    Sie stockte, verbarg sich hinter der Katze. Am liebsten hätte er durch den Spalt gegriffen und sie kräftig durchgeschüttelt. »Eure … Barke?« Das Geheimnis lag offen vor ihm, ahnte er mit wachsendem Unbehagen, er musste sich nur noch irgendetwas von den Augen reißen, das ihm die Sicht behinderte.
    »Auf der wir flohen. Nach der Schlacht.«
    Er ballte die Fäuste. »Und weiter?«
    Sie seufzte ergeben. »Da waren plötzlich vier assyrische Krieger an Deck. Sie haben Merits Bruder gefangen genommen, aber wir konnten rechtzeitig ins Wasser springen. Merit wollte schon damals in den Palast, dashat sie dann doch nicht gewagt, aber bestimmt hat sie’s jetzt versucht und ist geschnappt worden. Ich dachte ja sogar, dass du sie gestern heimlich zu ihrem Vater gebracht hast, deshalb hatte sie dir doch geholfen.«
    »Ist bald endlich Ruhe da draußen?«, brüllte Nanacht.
    »Zu ihrem Vater«, echote er.
    »Dem Tajti.«
    Keine Geheimnisse mehr. Merit war die Frau, die er damals aus dem Augenwinkel zum Hecksteven hatte huschen sehen. Und sie wusste, wer er war.
    »Und was tust du jetzt?«, flüsterte Tani.
    »Sie dort suchen, wo man mir das Andenken in die Brust gejagt hat: im Palast.« Er lachte hart auf. »Was bleibt mir denn übrig?«

    Nefertem hatte gehofft, nie wieder den Audienzraum mit dem herbeigeschafften Bett des Einzig Einen betreten zu müssen. Nie wieder die entehrte Doppelkrone zu erblicken, wie sie einem vergessenen Tonkrug gleich inmitten eines Meeres aus aufgerollten Papyrusbögen stand. Als die Türwächter die Türflügel öffneten und sein Bewacher ihn mit der Hand zwischen den Schulterblättern hineinbefahl, sah er jedoch Schlimmeres: Asarhaddon stand, angetan mit einem goldenen Mantel, die Seiten wie große Falkenflügel gebildet, vor dem ausladenden Schreibtisch. Nein, Papyri häuften sich dort nicht mehr, da waren nur einige Bücherkästen, aus denen säuberlich einsortierte Rollen ragten. Auch der Pschent stand nicht mehr darauf – der befand sich in den Händen des Eunuchen, der sich reckte, um sie seinem Herrn aufs Haupt zu setzen. Asarhaddon griff hinauf und schob unwirsch die Krone hin und her. Siepasste schlecht. Nicht verwunderlich bei seiner Haarpracht, die unterhalb der roten Krone Unterägyptens ungebändigt hervorquoll. Der wahre Träger der Doppelkrone hielt seine Haare kurz oder schor sie ganz; sie waren ohnehin nicht dazu gedacht, den Blicken Sterblicher ausgesetzt zu werden. Nein, die Krone auf dem zotteligen Haupt des Assyrers wirkte nicht entehrt, sie wirkte lächerlich.
    Auf einen Wink Asarhaddons hin nahm der Eunuch sie wieder ab und stellte sie behutsam auf den Tisch. Asarhaddon stemmte die Fäuste in die

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