Glühende Lust
befürchtete, er würde sie von der Liege stoßen. Das hättest du haben können, Schanherib, dachte sie; dann schwemmte die Lust alle Gedanken fort.
Frisch gewaschen und in betörende Düfte gehüllt, saß Zakutu einige Stunden später im Festsaal des Palastes, angetan mit der Krone einer Großen ägyptischen Königsgemahlin, der goldenen Geierhaube der Göttin Mut. An ihrer Seite thronte in einem Korbsessel Asarhaddon. Auch er trug die ägyptischen Herrscherinsignien, die ihnen der Tajti Mentuhotep am gestrigen Tage in einem so beeindruckenden wie langatmigen Festakt überreicht hatte. Sein Bart war streng zu einem dicken Zopf geflochten und ähnelte dem künstlichen Bart, den sich die Pharaonen umzubinden pflegten. Das Licht Hunderter Öllampen spiegelte sich auf der rot-weißen Doppelkrone, auf dem Gold und Lapislazuli von Krummstab und Geißel in seinen Händen.
Das Essen war längst abgetragen, auf den niedrigen Tischchen standen nur noch Schalen mit kandierten Früchten, Sesamküchlein, Honig zum Tunken und Unmengen an Wein und Bier, die selbst unter den ägyptischen Adligen, Würdenträgern und Dienern für gelöste Stimmung sorgten. Nur der Wesir hockte missmutig auf seinen Kissen und nippte gelegentlich an seinem Goldkelch. Zakutu rümpfte die Nase. Sein Gemüt hätte zu einem schlaksigen, asketischen Mann gepasst,nicht jedoch zu dieser fülligen Weichheit. Sie lachte in ihren Becher, als sie daran dachte, wie schockiert er geblickt hatte, als ihr Lustsaft während des Krönungsrituals ihr Kleid genässt hatte, für alle Höflinge sichtbar. Und das nur, weil ihre Gedanken auf Wanderschaft gegangen waren …
Sie taten es erneut. Erneut sah sie Schanherib vor sich knien. Sah die Reue in seinem schönen Gesicht. Sobald er gefangen war, würde sie ihn zu sich bringen lassen. Ihm befehlen, sie zu beschlafen. Und während er seine Kraft in sie pumpte, würde ein Soldat ihm einen Dolch unter die Zunge halten. Ein falsches Wort nur dieses Mal, und die lästerliche Zunge flöge durch die Luft …
»Sie sind ganz glücklich, wenn sie fressen und saufen und sich duftende Salbkegel auf die Häupter setzen können«, riss Asarhaddon sie aus den angenehmen Gedanken. Zakutu ließ den Blick vom Thronpodest hinab über die perückengeschmückten Köpfe des Hofstaates schweifen. Bartlos und behängt mit filigranem Goldschmuck, waren die ägyptischen Männer von ihren Frauen kaum zu unterscheiden. Alle tranken reichlich. Einige küssten sich und ließen sich zurück in ihre Kissen sinken. Aus einer Ecke erklang Gelächter, aus einer anderen Harfenmusik. Bei Assur, ein solches Festbankett wäre in Ninive wahrhaftig aufregender verlaufen.
Asarhaddon winkte einen Mann heran und raunte ihm etwas zu; dieser nickte und entfernte sich. Kurz darauf öffnete sich die Flügeltür. Zwei bis an die Zähne bewaffnete Krieger führten Nefertem herein. Sofort verstummten die Gespräche, alle Köpfe reckten sich zum Eingang. Nefertem stockte und senkte beschämt den Blick. Ungerührt schritten die beiden Männer weiter, und da jeder von ihnen das Ende einer langenKette hielt, die seine Hände vorne zusammenband, blieb ihm keine andere Wahl, als den Bankettsaal zu betreten.
Mit jedem seiner Schritte klirrten goldene Ketten. Sie verbanden seine Fußgelenke, so dass er nur kleine Schritte machen konnte. Auch um seine ansonsten nackten Hüften waren Ketten geschlungen, eher Zierrat als Fesseln. In den Gliedern hingen winzige Figürchen des Gottes Assur und schaukelten bei jedem widerwilligen Schritt. Der schönste Schmuck, so fand Zakutu, war jedoch die etwas größere Figur, die von einem Lederhalsband hängend auf seiner Brust ruhte.
Die Botschaft war unmissverständlich – mochten die Ägypter auch wieder prassen und feiern, sie taten es allein aus Assurs Gnade. Sie alle gehörten ihm, so wie dieser junge ägyptische Wesirsohn, von dem sie glaubten, er stamme von Pharaonen ab, so dass er selbst Pharao werden könnte. Nefertem musste auf den Stufen des Podests knien. Die Männer rissen seine Arme hoch und wanden die Kettenenden um ein Bein des Throns. Erst als Asarhaddon einen Fuß hob und auf seiner Schulter abstellte, ging ein Raunen durch die Menge. »Barbaren!«, rief jemand, zu Zakutus Überraschung ein älterer Mann, der sofort auf die Füße und aus dem Raum gezerrt wurde. Der Wesir hatte den Rücken gestreckt. Seine dicken Finger quälten den Saum seines Gewandes. Doch dann ließ auch er wie alle anderen den Kopf
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