Glut der Gefuehle - Roman
durchschauen.« Fragend sah er sie an, und sie nickte. »Shelley?« Wieder nickte sie. »Donne?«
»Leider ja.«
»Dann müsste ich aus einer unbekannten Quelle schöpfen. Und wenn dieser Dichter so schlecht ist, dass ihn niemand liest, würde er mir nichts nützen.« South schnitt ein Stück von seinem Lammbraten ab. Nachdem er es gegessen hatte, fuhr er fort: »Nun sehen Sie, warum ein echter Romantiker kein Schriftsteller ist, sondern ein Abenteurer. Zum Teufel mit der Feder, würde ich sagen. Lieber greife ich nach Pistolen. Ein nebliger Morgen im Park, der beste Freund als Zeuge. Zehn Schritte vom Gegner entfernt. Blut wird fließen, ein tatsächliches oder imaginäres Unrecht gerächt, die Ehre einer Dame gerettet...«
Indias Lippen zuckten. »Also gut, ich lasse mich überzeugen. Haben Sie einschlägige Erfahrungen gesammelt?«
»Was, mit Duellen?« Schwungvoll hob er seine Gabel. »Welch alberne Tradition! Zu viele Regeln... Außerdem hasse ich es, im Morgengrauen aufzustehen. Zum Glück besitze ich die Fähigkeit, mich aus allen Schwierigkeiten herauszureden.«
Ihr Lächeln wurde breiter. Offenbar fiel es ihr leicht, das zu glauben. »Was für absurde Argumente Sie vorbringen |...«
»Soeben haben Sie noch erklärt, Sie würden sich überzeugen lassen. Erst als Ihnen klar wurde, dass ich nicht weiß, wovon ich rede, haben Sie sich anders besonnen. Wenn es um Leben oder Tod geht, verschweige ich, dass ich von den meisten Dingen keine Ahnung habe. Sonst kann man nicht überzeugend wirken. Und außerdem – zunächst muss man sich selbst überzeugen.«
India beugte sich vor und streckte eine Hand aus. »Oh, bitte, hören Sie auf! Mittlerweile habe ich sämtliche Fäden unserer Konversation verloren. Aber ich glaube, Sie haben in allen Belangen recht.«
»Nur das zählt«, meinte er trocken. »Ihre Klugheit entzückt mich.« Den Kopf gesenkt, widmete er sich seiner Mahlzeit und gab vor, die Verwunderung der Gastgeberin nicht zu bemerken. Ohne aufzublicken, fuhr er fort: »Welch ein zartes Lammfleisch! Bitte, richten Sie Ihrer Köchin meine Komplimente aus.«
India wusste, sie dürfte sich nicht so leicht überrumpeln lassen. Doch er hatte sie tatsächlich überzeugt. Was für einen Mann hatte man ihr diesmal geschickt? Oder vielleicht war er gar nicht zu ihr gesandt worden, und sie hatte sich getäuscht. Bestürzt erkannte sie, dass sie das eine ebenso bedauern würde wie das andere.
In einträchtigem Schweigen beendeten sie das Dinner. Anschließend läutete die Hausherrin ihrem Personal, damit der Tisch abgeräumt wurde. South genehmigte sich einen Schluck von ihrem erstklassigen Brandy, und India trank ein zweites Glas Wein.
Während sie in dem Lehnstuhl vor dem Kamin saß, stützte er sich auf das Sims und wärmte den Brandy über den Flammen, danach sank er in die Polsterung des Sofas.
Beinahe fielen ihm die Augen zu. Wie Indias forschender Blick verriet, schien sie zu erwarten, er würde einnicken. »Ich kann überall schlafen«, erklärte er.
»Ein weiteres Ihrer fabelhaften Talente?«
»So etwas lernt man auf den Fregatten Seiner Majestät.«
»Sie sind zur See gefahren?« Das ergab keinen Sinn, immerhin war er ein Viscount, kein jüngerer, sondern ein einziger Sohn – der Erbe des Earls von Redding, der ein beträchtliches Vermögen besaß. Innerhalb eines Vierteljahres bezog der Viscount Southerton ein höheres Einkommen, als es India im Lauf ihrer ganzen Bühnenkarriere verdienen würde. »Nein, natürlich waren Sie ein Passagier
auf der Rückreise vom Kontinent, wo sich Ihr Aufenthalt wegen der Bonaparte-Kriege verzögert hat.«
South widersprach dieser Vermutungen nicht. Solche Schlüsse zogen die meisten Leute außerhalb seiner Familie, die wussten, dass er als sehr junger Mann zur See gefahren war. Sie kannten die Gründe nicht, und ihre Neugier durften sie nicht befriedigen, indem sie direkte Fragen stellten. Sein Dienst bei der Royal Navy war ungewöhnlich gewesen, ein Resultat seiner romantischen Abenteuerlust und der Nachsicht seines verständnisvollen Vaters.
»Ja, ich unternahm einige Seereisen«, bestätigte er. »Dabei lernte ich, in allen Situationen zu schlafen. Übrigens, es war sehr freundlich von Ihnen, meine Ruhepause in der Droschke nicht zu monieren.«
»Nun, ich ließ Sie sehr lange warten.«
»Trotzdem war mein Verhalten unhöflich.«
»Oh, keineswegs, ich fand es|...« Sie unterbrach sich und suchte nach dem passenden Wort.
»Beleidigend?«, kam South ihr
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