Glut der Gefuehle - Roman
zu Hilfe.
»Nein, charmant. So herrlich unbefangen.«
Also musste er geschnarcht haben. Womöglich mit offenem Mund. Bei dieser Vorstellung eines vernachlässigten, gelangweilten Verehrers grinste er.
»Ich habe während der Fahrt ebenfalls geschlafen«, fügte sie hinzu.
»Ein seltsamer Anfang unserer Beziehung, nicht wahr?«
»War das der Anfang? Dann sollte ich den Zwischenfall in Ihrer Loge wohl nicht mehr erwähnen.«
»Es war Eastlyns Loge, nicht meine.«
»Auch den Faustschlag sollte ich nicht als Beginn unserer Bekanntschaft betrachten.«
South drehte den Brandy-Schwenker zwischen den
Handflächen hin und her. Funkelnd spiegelte sich das Lampenlicht im Kristallglas. Als er aufschaute, begegnete er Indias Blick und las ein kaum merkliches Bedauern in ihren Augen. »Eher den Auftrag des Obersts.«
Langsam nickte sie. »Das hätten Sie mir... früher sagen sollen.«
»Nein.«
Damals hatte er die Anweisung erhalten, noch zu warten.
Sie erforschte die Beweggründe des Obersts nicht, die sie auch gar nicht persönlich betrafen. In seinen Dramen spielte sie nur kleine Rollen, und sie akzeptierte es. Etwas anderes würde sie ablehnen. »Ich konnte nicht sicher sein. Deshalb musste ich warten, bis Sie sich offenbaren.«
»Das verstehe ich. Und wenn ich bloß ein glühender Bewunderer wäre? Weitaus glücklicher als meine Rivalen, nachdem sie mich hierher eingeladen haben? Was dann?«
»Ich würde mich für Ihre Gesellschaft bedanken und Sie zur Tür begleiten. Bald wäre das ohnehin geschehen, und Sie hätten nicht mehr viel Zeit für Ihr Eingeständnis gefunden.«
»Und falls ich weder ein Verehrer noch ein Verbündeter wäre?«
»Meinen Sie – wenn Sie vorhätten, mir zu schaden?«
»Ja, wenn ich planen würde, Sie zu töten.«
Gleichmütig hob sie die Schultern. »Darüber habe ich nachgedacht. Gründlicher als Sie. Doobin weiß, dass Sie heute Abend hier sind. Ebenso mein Dienstmädchen, der Lakai und der Droschkenkutscher. Falls nichts Schlimmes passiert, kann ich mich auf die Diskretion der Leute verlassen. Aber wenn ich verschwinden oder sterben sollte, werden sie wohl kaum den Mund halten.«
»Also haben Sie die Gefahr, die Ihrem Leben droht, gegen die Möglichkeit abgewogen, man würde mich im Ernstfall schnappen.«
»Nein, gegen die Gewissheit, dass Sie nicht geschnappt werden wollen. Das ist etwas anderes.«
»Allerdings«, stimmte er zu. »Sie haben also entschieden, heute Abend würde Ihnen nichts zustoßen?«
»Ja.«
»Und in Zukunft?«
»Eine Zukunft wird es nicht geben, Mylord. Wir werden nie wieder allein sein.«
»Über dies alles haben Sie tatsächlich nachgedacht.«
India nickte und runzelte die Stirn, als sie einen stählernen Glanz in Southertons grauen Augen sah. »Was ist los?«
»Bedauerlicherweise haben Sie bei Ihren Überlegungen einen wichtigen Punkt ausgelassen. Es könnte der Oberst sein, der mich beauftragt hätte, Sie zu töten.« Fast genüsslich beobachtete er, wie sie das Kinn hob und erbleichte. »Wäre es so, würde mich niemand erwischen. Es gäbe keine Zeugen. Wer noch nicht für mich arbeitet, würde verschwinden. Wenn Sie klug sind, Miss Parr, bilden Sie sich besser nicht ein, Sie wären dem Oberst auch nur um einen halben Schritt voraus. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ja|...« Um reglos sitzen zu bleiben, musste sie ihre ganze Willenskraft aufbieten. Niemals würde sie den Viscount merken lassen, welch große Angst er ihr einjagte.
South stellte das Brandy-Glas beiseite. »Genug davon. Bei mir sind Sie sicher. Meine Aufgabe besteht darin, Sie zu schützen – nicht zu ermorden. Wie ich dabei vorgehen werde, muss ich noch planen.«
»Wie meinen Sie das, Mylord?«, fragte sie vorsichtig. »Bieten Sie mir Ihren Schutz an?«
»Ein Angebot könnten Sie ablehnen. Doch das hier ist ein Befehl des Obersts.«
Unwillkürlich sank sie tiefer in ihrem Sessel hinab und presste die Finger in den kühlen Damastbezug der Armstützen. Sobald ihr das bewusst wurde, zwang sie sich, die Hände zu entspannen. »Also hat man Mr Kendall gefunden.« Was bedeutete, dass der Mann tot war...
»Ja, vor einer Woche. Seine Leiche trieb in der Themse.«
Um sich zu beruhigen, holte sie tief Atem. »Ich hatte gehofft, das würde nicht eintreten. Da gab es eine Frau, die ihm viel bedeutete, und ich dachte, er wäre mit ihr nach Gretna Green gefahren.« Darum hatte sie sogar gebetet.
Southerton stand auf und ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und
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