Glut der Gefuehle - Roman
einer Fregatte Seiner Majestät aufgehalten wurde. So gelangte ich endlich in die Obhut meiner Landsleute.«
»Und diese Fregatte segelte zu dem französischen Schiff, um die Gefangenen zu befreien?«
»Nein. Das hätte zu einer riskanten Schlacht geführt. Stattdessen bat ich den Kapitän der Fregatte, mir das portugiesische Postschiff zu überlassen. Damit war er einverstanden, stellte mir ein paar Männer zur Verfügung, und ich hisste die französische Trikolore. Als wir das Kriegsgefangenenschiff erreichten, erregten wir kein Aufsehen und durften an Bord gehen. Bevor das Täuschungsmanöver erkannt wurde, hatten wir die Franzosen bereits überwältigt und das Schiff unter Kontrolle.« Die Einzelheiten jenes Kampfs wollte er nicht schildern, und India fragte auch nicht danach. Wie viel Blut geflossen war, brauchte sie nicht zu erfahren.
»Hast du die Marine danach verlassen?«
»Nicht sofort.«
»Aber du hattest dich bereits zur Genüge ausgezeichnet.«
»Trotzdem blieb ich im Dienst, bis wir den Weg für Wellingtons Einmarsch in Spanien geebnet hatten.« Zwischen Indias Brauen erschien eine kleine Falte, und Southerton fügte hinzu: »Auch im Theater muss stets der letzte Akt aufgeführt werden. Selbst wenn du lieber vorher zwischen den Kulissen verschwinden würdest.«
»Das hast du dir gewünscht?«
»Manchmal. Nach jener Rettungsaktion war plötzlich
alles anders. Irgendwie gehörte ich nicht mehr zu meinen Kameraden.«
»Weil du ein Held warst und nur deine Pflicht tun wolltest |...«, ergänzte sie leise, und South seufzte unbehaglich auf. Offenbar hatte er seinen Ruhm verabscheut.
»Ja.«
India trank ihre Teetasse leer und stellte sie beiseite. »Hast du deshalb beschlossen, für den Oberst zu arbeiten?« Als der Viscount verwundert blinzelte, erklärte sie: »Ich meine|... für deine Aktivitäten in seinem Auftrag wirst du kaum Ruhmeslorbeeren ernten.«
Lächelnd nickte er. Das sah ihr ähnlich – einer Sache derart zielstrebig und ohne Umschweife auf den Grund zu gehen. »Nun, das ist ein ebenso gutes Motiv wie jedes andere. Allerdings muss ich betonen, dass mich der Oberst niemals zu irgendetwas gedrängt hat. Aber wenn er mir seine Anweisungen gibt, äußert er keine Bitte, sondern einen Befehl.«
»Ist deine Familie darüber informiert?«
»Nein|...« Nach einer kurzen Pause fragte South: »Und deine?«
Als sie die unvermittelte Frage vernahm, hob sie ruckartig den Kopf und schluckte mühsam den Haferbrei hinunter. »Ich habe keine Familie. Das weißt du doch.«
»Warum sollte ich das wissen? Nur eins steht fest – bei meinen Nachforschungen kam zu diesem Thema nichts heraus.«
Schweigend zuckte sie die Achseln.
South griff über den Tisch hinweg, berührte Indias Handgelenk und wartete, bis sie ihn anschaute. »Sind wir schon wieder in einer Sackgasse gelandet? Ich habe deine Fragen beantwortet. Nicht, weil ich mich dazu bemüßigt
fühlte oder weil es mir Freude bereitet hätte – sondern lediglich, weil du das alles hören wolltest.«
Nun war ihr der Appetit vergangen. Sie befreite sich von Southertons Fingern und schob ihre kaum berührte Schüssel weg. »Was möchtest du wissen?«
»Deinen richtigen Namen«, erwiderte er und bemerkte ihre Verblüffung. »Schon vor einiger Zeit erkannte ich, warum es so schwierig ist, irgendetwas über dich herauszufinden. In Wirklichkeit heißt du nicht India Parr – das ist dein Künstlername, nicht wahr?«
Sie stand auf, räumte den Tisch ab und erwartete, dass er protestieren würde. Doch er erlaubte ihr, banale Dinge zu erledigen, Essensreste wegzuwerfen oder das Geschirr zu spülen. Schließlich erklärte sie: »Ich wurde Diana genannt. Als ich zum Theater ging, habe ich die Buchstaben einfach ein wenig anders angeordnet.«
»Und dein Nachname?«
»Hawthorne.« Sie nahm ihre Schürze ab und faltete sie sorgsam zusammen. »Diana Hawthorne.«
»Stammst du aus Cotswold?«
»Meinst du, weil ich dort als Gouvernante tätig war? Nein, ich wuchs in Devon auf.«
South erhob sich und ging zu ihr, legte einen Arm um ihre Schultern und führte sie ins Wohnzimmer, wo er auf das Sofa zeigte. »Setz dich, ich hole deinen Schal.«
Nach einigen Minuten kehrte er zurück und gab ihr einen dunkelgrünen Paisley-Schal, dann nahm er ihr gegenüber in einem Sessel Platz.
»Kennst du Devon?«, fragte sie.
»Einmal bin ich hindurchgeritten, auf dem Weg nach Land’s End.«
»So weit das Auge reicht, erstreckt sich fruchtbares Ackerland. Gepflegte
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