Glut der Gefuehle - Roman
Frau und spürte die heftigen Herzschläge eines kleinen Mädchens.
Unverständliche gestammelte Worte unterbrachen ihr wildes Schluchzen, und es dauerte eine Weile, bis South bewusst wurde, was sie immer wieder hervorwürgte – wie ein Mantra. Was er hörte, ließ ihn erschauern.
»Warum|... oh, warum bin ich nicht auch umgekommen?«
Elftes Kapitel
Behutsam wiegte er India hin und her, spürte ihre Verzweiflung in ihren Fingern, die seinen Gehrock umklammerten, in ihrer bebenden, an seine Brust gepressten Wange. Sein Herz litt mit ihr. Unentwegt flüsterte er tröstliche Worte in ihr Haar, obwohl India seine leise, von ihrem Schluchzen übertönte Stimme nicht hören konnte. Er drängte sie nicht, dem Tränenstrom Einhalt zu gebieten, und wartete geduldig, bis er von selbst versiegte.
Schließlich richtete sie sich auf und ergriff das Taschentuch, das er ihr reichte. Sie putzte sich die Nase, dann wandte sie das Gesicht ab. »Wenn ich weine, sehe ich nicht besonders hübsch aus.«
South umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. »Also bist du doch ein albernes, eitles Mädchen?«
»Offensichtlich«, seufzte sie und lächelte verlegen.
»Das macht nichts. Ich habe einige Erfahrungen mit albernen, eitlen Mädchen gesammelt.«
Jetzt lachte sie sogar. »Auch mit lästigen?«
»Oh ja.«
»Dann bist du zu bedauern.«
»Allerdings.«
»Vielen Dank«, wisperte sie, hauchte einen Kuss auf seine Lippen und drückte seine Hände an ihre Brust. »Für dein Zartgefühl.«
Zutiefst bewegt, räusperte er sich. »Möchtest du dich
hinlegen? Nun werde ich dich nicht mehr mit Fragen bestürmen.«
Er gönnte ihr nur eine kurze Ruhepause. Das wusste sie. Später würde er sie einem weiteren Verhör unterziehen. »Nein«, entgegnete sie und ließ seine Hände los. »Es gibt noch einige Dinge, die gesagt werden müssen.«
»Wie du meinst.« South wollte ihr helfen aufzustehen. Aber sie schüttelte den Kopf, und so blieben sie am Boden sitzen.
Während er sich an das Sofa lehnte, schlang sie die Arme um ihre angezogenen Knie und starrte ins Kaminfeuer. »Es fällt mir schwer zu schildern, wie ich von Lady Margrave behandelt wurde. Nachdem ich in ihr Haus gezogen war, schenkte sie mir keine besondere Aufmerksamkeit. Trotzdem schien sie immer zu wissen, was ich tat. Fast jeden Tag führte mich ein Dienstbote zu ihr, denn ich musste Bericht über meine schulischen Leistungen und meine Fortschritte am Pianoforte erstatten. Außerdem inspizierte sie meine Aquarelle und Stickereien. Diese Unterredungen waren nicht gerade angenehm, doch die Hausherrin war weder unfreundlich noch übertrieben kritisch. Ich hatte das Gefühl, sie würde einfach ihre Pflicht erfüllen.«
»Wieso? War sie dir verpflichtet?«
»Nicht mir, sondern ihrem Sohn. Schon sehr bald gewann ich den Eindruck, Ihre Ladyschaft würde ihm nichts verweigern.«
Darüber dachte der Viscount eine Zeit lang nach. »Dann war es vermutlich seine Idee, dich nach Merrimont zu holen.«
»Ja, damit wollte er seine Großmut beweisen. Eines Tages würde er den Titel eines Earls tragen, verkündete er. Auf diese Verantwortung wollte er sich vorbereiten. Gewissermaßen
stellte ich seine erste gute Tat dar.« Ein ironisches Lächeln umspielte Indias Lippen. »Natürlich hatte ich nie erwartet, die Zuneigung der Countess zu gewinnen. Hätten uns Blutsbande vereint, wäre ich die arme Verwandte gewesen, deren Gegenwart nur geduldet wurde. So, wie die Dinge lagen, war ich ihr wohl gleichgültig.« Nach einem Seitenblick auf Southertons gerunzelte Stirn fügte sie hinzu: »Bitte, bemitleide mich nicht, denn ich wusste, dass ich mir keine liebevolle Zuwendung erhoffen durfte.«
»Weil du das gar nicht angestrebt hast.«
Diesen Einwand ignorierte sie. »Ich wurde ernährt, gekleidet und genoss eine Ausbildung. Meistens hielt ich mich in Merrimont auf. Aber manchmal begleitete ich Ihre Ladyschaft nach Marlhaven und London. Zeitweise legte sie Wert auf meine Gesellschaft, jedoch nicht auf meine Konversation. Das störte mich kein bisschen, denn ich ging gern auf Reisen. Und Lady Margrave war nicht anspruchsvoll.«
»Und der Earl? Immerhin war er dein Wohltäter, nicht wahr? Hat er sich um dich gekümmert?«
»Nicht wirklich. Abgesehen von flüchtigen Fragen nach meinem Befinden zeigte er kein Interesse an mir. Darüber war ich froh, weil mir seine hoch gewachsene, gebieterische Gestalt und seine tiefe Stimme Angst einjagten. In seinen letzten Lebensjahren war er oft
Weitere Kostenlose Bücher