Glut der Gefuehle - Roman
Hecken unterteilen die schmalen
Felder. In den Tälern, zwischen Wäldern und Wiesen, liegen malerische Dörfer. Die Einheimischen sind einfache, aber stolze, charakterfeste Leute, die hart arbeiten. So vieles in Devon mag einem klein erscheinen – nur die Herzen der Bevölkerung sind es nicht.«
»Gut zu wissen«, warf South ein, und sie lächelte.
»Das erwähne ich bloß, weil es zu meiner Geschichte gehört. In einem dieser winzigen Cottages wohnte ich. Früher hatte mein Vater in einem königlichen Regiment gedient, dann erwarb er ein Stück Land und wurde Farmer. Meine Mutter war eine Hebamme. Diese Fähigkeit hatte sie erlernt, während sie ihrem Ehemann von einem Posten zum anderen gefolgt war. Dieses Leben führten meine Eltern jahrelang. Erst nach meiner Geburt zogen sie nach Devon.«
»Waren sie da schon älter?«
»Ja. Jetzt sind sie tot.«
»Wann ist das passiert?«
»Vor zwölf Jahren. Als sie starben, war ich elf.«
»Hast du beide Eltern gleichzeitig verloren?«
»Bei einer Feuersbrunst.«
»Oh, das tut mir schrecklich Leid«, beteuerte South erschüttert. »Ist euer Haus niedergebrannt?«
Seufzend nickte sie. »Nichts blieb übrig. An jenem Abend war ich nicht daheim. Der Vikar und seine Frau hatten mich eingeladen, bei ihnen zu übernachten, weil sie am nächsten Tag mit mir einen Jahrmarkt besuchen wollten. Dafür hatte mein Vater keine Zeit, und meine Mutter glaubte, Mrs Doddridge, deren Niederkunft kurz bevorstand, würde ihre Dienste brauchen.« Geistesabwesend zupfte India an den Fransen ihres Schals. »Seit Jahren habe ich nicht mehr an Mrs Doddridge gedacht|... Meine Mutter erzählte mir, die Frau würde Zwillinge bekommen.
Ob das tatsächlich geschah, weiß ich nicht. Jedenfalls war Mama während der Geburt nicht bei ihr|...«
South beobachtete, wie sie den Kopf schüttelte, als wollte sie aus der Vergangenheit zurückkehren. Geduldig wartete er ab, wohin ihre Gedanken sie nun führen würden.
»Manchmal frage ich mich, ob ich meine Eltern hätte retten können, wenn ich zu Hause gewesen wäre. Womöglich hatte ich einen leichteren Schlaf, und das Feuer hätte mich rechtzeitig geweckt. Darüber sprach ich mit dem Vikar. Aber er sagte, solche Grübeleien seien sinnlos, würden nichts ändern, und ich müsse die Realität akzeptieren.«
»Welch ein unzulänglicher, schwacher Trost für ein so junges Mädchen|...«
»Gewiss.«
»Hast du keine Geschwister?«
»Nein, ich bin ein Einzelkind – Diana Hawthorne, die Tochter von Thomas und Marianne.«
Ihre Einsamkeit erschien ihm fast greifbar. »Wenn ich dir das ersparen könnte|...«
»Sag das nicht!«, unterbrach sie ihn und lachte freudlos. »Immerhin hast du mich in dieses Zimmer geführt, um meine Wunden zu öffnen.«
»Glaub mir, ich hätte dich lieber geschont.«
»So schlimm war es nicht«, entgegnete sie müde. »Es ist nur|... Über diese Dinge habe ich schon lange nicht mehr geredet.«
»Warum nicht?«
Eine Zeit lang starrte sie auf ihre Hände hinab, dann hob sie hilflos die Schultern. »Weil niemand da war, der mir zugehört hätte.« Nachdenklich lauschte sie ihrer eigenen Stimme. Warum hatte sie nicht gegen diese Isolation
gekämpft, statt alle Hoffnung zu verlieren und sich mit ihrem Schicksal abzufinden? Ihre Kehle verengte sich. Mühsam schluckte sie die Tränen hinunter und presste ihre Fingerspitzen auf die Lippen.
»India?«
Doch sie antwortete nicht und schüttelte den Kopf. Wenn sie jetzt sprach, würde sie zusammenbrechen. Das durfte er nicht mit ansehen. So schwach sie auch gewesen war, sie hatte nur selten geweint. Ihren Tränen freien Lauf zu lassen – das schien keine Trauer auszudrücken, sondern würdelose Kapitulation.
South massierte sich die verkrampften Nackenmuskeln. Damit bezwang er seinen Impuls, eine Hand auszustrecken und India Trost anzubieten, den sie zweifellos zurückweisen würde. Er wollte aufstehen und umherwandern, weil er hoffte, dies würde seine innere Anspannung lockern. Aber da brach sie ihr Schweigen. »Erlaube mir, auch noch die restliche Geschichte zu erzählen«, bat sie mit bebender Stimme. »Das würde ich gern hinter mich bringen.«
»Natürlich.«
»Nach dem Tod meiner Eltern erhob sich die Frage, was mit mir geschehen sollte. Einige Nachbarn hätten mich gern aufgenommen, ebenso der Vikar und seine Frau, obwohl sie selbst drei Kinder hatten.«
»Wie du bereits sagtest, die Bewohner von Devon sind gutherzige Menschen.«
»Oh ja, sie waren sehr freundlich zu
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