Glut der Herzen - Roman
an.
»Der Punkt geht an Sie, Mrs Pyne.« Das klang sehr
nachdenklich. »Ich werde mich bemühen, bei unseren künftigen Geschäften daran zu denken.«
»Guten Tag, Mr Winters.«
Sie schloss die Tür mit erheblich mehr Kraftaufwand, als nötig gewesen wäre.
6. KAPITEL
»Darf ich fragen, ob das Treffen im Museum erfolgreich verlief?«, fragte Mr Pierce mit seiner vom Whiskey- und Zigarrengenuss gezeichneten Stimme.
»Es könnte am besten mit interessant beschrieben werden«, sagte Adelaide. »Mr Winters entsprach gelinde gesagt nicht ganz meinen Erwartungen.«
Sie setzte ihren schwarzen Fächer in dem vergeblichen Versuch in Bewegung, die stehende, stickige Luft zu vertreiben. Es war Pause, in dem mit goldenem Stuck überladenen Theaterfoyer drängte sich das elegante Publikum. Sie, Mr Pierce und Adam Harrow hatten sich mit ihren Champagnergläsern in eine ruhige Nische zurückgezogen.
Sie sagte sich, dass es das Gedränge und die überhitzte Atmosphäre wäre, die ihr so großes Unbehagen bereiteten. Sie war halb erstickt und nervös. Der dichte Schleier des Hutes verstärkte das beengende Gefühl noch. Was ein angenehmer Abend hätte sein sollen, war zu einer Tortur geworden. Sie konnte das Ende kaum erwarten, doch sie tat ihr Bestes, um ihr Unbehagen vor ihren Begleitern zu verbergen.
»Griffin Winters überrascht jeden.« Pierce nahm einen Schluck Champagner und senkte das Glas. »Wahrscheinlich
einer der Gründe für seinen außerordentlichen Erfolg.«
»Hat er Ihnen einen Blick auf sein Gesicht gestattet?«, fragte Adam Harrow in seiner gelangweilten Art.
»Ja, allerdings«, sagte Adelaide.
Sie trank vom Champagner, um ihre unerklärliche Spannung zu vertreiben. Als sie ihr Glas absetzte, merkte sie, dass ihre Begleiter sie mit erstaunten Mienen musterten, fast so, als wären sie beeindruckt.
»Tja«, murmelte Pierce. »In der Tat eine interessante Begegnung. Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, Mr Winters’ Gesicht zu sehen.«
»Und das zu überleben«, schloss Adam trocken.
Pierce und Harrow waren mehr als nur sehr gute Freunde. Die Traumspuren der beiden verrieten Adelaide, dass zwischen ihnen eine tiefe und starke Bindung bestand, die alle Aspekte ihres Lebens umfasste, körperlich wie emotional. Sie waren Frauen, die als Männer lebten, und zwar so erfolgreich, dass sie vorbehaltlos als Gentlemen akzeptiert wurden.
Pierce war klein, untersetzt und so solide wie ein steinernes Monument. Sein schwarzes Haar war silbern durchsetzt. Wiewohl er den Dialekt der Straße schon längst abgelegt hatte, stand das Wissen, das er sich in Londons dunkelsten Gassen angeeignet hatte, noch immer in seinen bestürzend blauen Augen.
Adam Harrow hingegen entstammte der Oberschicht und war der Inbegriff des modernen Weltmannes, der von einer Aura eleganter Blasiertheit umgeben, wohlerzogen und vornehm verlebt war. Seine Hose und das Hemd mit
dem eckigen Kragen waren hochmodisch. Sein hellbraunes, streng aus der Stirn zurückgekämmtes Haar glänzte dezent pomadisiert.
Pierce studierte Adelaide mit abschätzendem Blick. »Ich will nicht in Sie dringen, doch sei mir die Frage gestattet, ob Sie mit Winters zu einem für beide Teile befriedigenden Ergebnis gelangten?«
Natürlich will er nicht in mich dringen, dachte Adelaide. In der geheimnisumwitterten Welt, in der Pierce lebte, musste die Privatsphäre um jeden Preis geschützt werden.
»Ein beiderseits befriedigendes Ergebnis würde ich es nicht nennen«, sagte Adelaide. Sie fächelte energischer. »Aber ich bin einverstanden, Mr Winters bei einem bestimmten Projekt zu helfen. Im Gegenzug bekam ich sein vages Versprechen, sich an einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt in der Zukunft zu revanchieren.«
»Ich wüsste nicht, was für Sie an diesem Übereinkommen unbefriedigend wäre«, sagte Adam mit belustigt blitzenden Augen. »Sich Griffin Winters verpflichtet zu haben, ist keine Kleinigkeit. Viele würden liebend gern mit Ihnen tauschen.«
»Das Problem dabei ist, dass Mr Winters unmissverständlich sagte, er würde mir den Gefallen nur tun, wenn er ihn billige.« Adelaide nippte wieder an ihrem Glas und senkte es sodann. »Meine erste Bitte schlug er bereits ab.«
Pierce zog mit einem Ruck die Brauen hoch. »Das sieht Winters gar nicht ähnlich. Er mag ja hart wie Granit sein, aber ebenso genießt er den Ruf eines Mannes, dessen Wort gilt.«
»Genau«, gab Adam ihm aalglatt recht. »Wenn der Direktor des Konsortiums durchsickern lässt, dass ein
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