Glut der Herzen - Roman
gewisser Jemand verschwinden wird, wenn besagter Jemand sein Opiumgeschäft nicht in eine andere Gegend verlegt, kann man auf das Ergebnis wetten.«
Adelaide warf ihm durch den Schleier einen finsteren Blick zu. »Sie wollen mir Angst einjagen.«
»Aber nein.« Adam lächelte. »Sie handeln schließlich nicht mit Opium.«
Pierce machte ein nachdenkliches Gesicht. »Winters muss einen zwingenden Grund gehabt haben, Ihnen den ersten Gefallen abzuschlagen. Er kann alles bewirken, nur nicht das Unmögliche. Hin und wieder soll er sogar das geschafft haben.«
»Haben Sie das Unmögliche verlangt?«, fragte Adam.
»Ganz und gar nicht«, sagte Adelaide. »Ich bat ihn nur, mir bei der Ausarbeitung einer neuen Strategie für die Überfälle auf die Bordelle zu helfen. Er sagte nämlich, dass sie vorhersehbar seien. Ich selbst war bereits zu dieser Einsicht gelangt.«
»Ach so«, murmelte Pierce. »Nun, damit ist seine Absage erklärt.«
»Warum?«, wollte Adelaide wissen.
»Winters weiß, dass Sie jedes Mal, wenn Sie ein Bordell überfallen, Unheil herausfordern. Nie würde er Ihnen helfen, wenn das Risiko so groß ist.«
»Weil er sich verantwortlich fühlen würde, falls die Sache misslingt?«, fragte Adelaide.
»Ja«, sagte Pierce. »Aber daneben gilt es, noch etwas zu bedenken. Wenn sich herumspricht, dass er hinter einem
Überfall auf eines von Luttrells Etablissements steht, wäre es um den Waffenstillstand geschehen.«
Adelaide setzte gereizt den Fächer in Bewegung. »Er sprach vom Craygate Cemetery Truce. Irgendwie fällt es mir schwer, eine Vereinbarung dieser Art zwischen Verbrechern ernst zu nehmen.«
»Sie können sicher sein, dass der Cemetery Truce ein Abkommen ist, das von uns überaus ernst genommen wird«, sagte Pierce gelassen. »Der offene Krieg, der in den Monaten nach Forrest Quintons Tod zwischen Winters und Luttrell ausbrach, traf auch viele von uns, die am Rande der Branche tätig sind.«
»Wer war Forrest Quinton?«
»Der unumschränkte Herrscher über Londons Unterwelt«, sagte Pierce. »Er war fast dreißig Jahre an der Macht. Vor einigen Jahren brach er zusammen und starb nach einem Herzanfall. Man nimmt an, dass der Mann, der seine Organisation übernahm, diesen sehr gelegenen Tod arrangierte.«
»Luttrell?«, fragte Adelaide.
»Ja. Luttrell war ein Jahr lang emsig damit beschäftigt, sich von Quintons Imperium so viel wie möglich einzuverleiben. Doch er war noch jung, und es fehlte ihm an Erfahrung im Management. Kein Wunder, dass er viele Gebietsverluste hinnehmen musste.«
»Ich nehme an, er verlor auch etwas von diesem Territorium an Sie?«
»Ja, aber noch viel mehr an einen jungen, aufstrebenden Verbrecherboss, der sich selbst Direktor nannte«, sagte Pierce.
»Ich verstehe«, sagte Adelaide. »Diese Geschichte ist wesentlich interessanter als das Stück, das wir eben sahen. Bitte, fahren Sie fort.«
»Eine Zeit lang blieb alles ziemlich ruhig. Aber Luttrell war sehr ehrgeizig. Als der richtige Moment gekommen war, wollte er seinen größten Konkurrenten ausschalten.«
»Das Konsortium?«
»Ja. Hätte Luttrell es geschafft, Winters zu vernichten, wäre zweifellos ich als Nächster an die Reihe gekommen. Ich hätte die Armee nicht auf die Beine stellen können, die nötig gewesen wäre, um Luttrells Gorillas in die Knie zu zwingen. Und nach mir wären die kleineren Mitspieler leichte Beute für ihn gewesen.«
»Am Ende wäre Luttrell als Einziger übrig geblieben«, sagte Adam.
Pierce zog eine Braue in die Höhe. »Wie Sie sehen, stehe ich tief in Winters’ Schuld.«
»Ich verstehe«, sagte Adelaide. »Ich zog bei dem Handel, den ich mit ihm abschloss, leider den Kürzeren.«
»Wer weiß? Vielleicht kommt der Tag, an dem Sie wieder einen Gefallen von Griffin Winters brauchen schon sehr bald.«
Adelaide trank ihr Glas leer und stellte es auf einem Tablett ab.
»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was das sein könnte«, gab sie zurück.
Kurz vor Mitternacht fiel der Vorhang endgültig. Für Adelaide, die mit Pierce und Adam hinausging, war das keinen
Moment zu früh. Sie konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Vor dem Theater spielte sich das übliche lautstarke Chaos nach einer Aufführung ab. Die Theaterbesucher drängten auf der Jagd nach Droschken aus dem Foyer ins Freie, wo die Kutscher der Privatwagen sich abmühten, ihre Herrschaften in dem Menschengewühl ausfindig zu machen. Fahrzeuge aller Art wetteiferten um
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