Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise
erkannte mit großer Zufriedenheit, dass Leo zwar wenig Gefallen an den finanziellen Angelegenheiten des Anwesens fand, seine Liebe zur Architektur und allen baulichen Maßnahmen jedoch ebenso ausgeprägt wie früher war.
Als Leo das Gerüst herabgeklettert kam, erschien die Haushälterin, Mrs Barnstable, mit einem Jungen im Schlepptau an der Tür. Kev beäugte ihn argwöhnisch. Der Junge schien elf oder zwölf Jahre alt zu sein. Selbst wenn er nicht seine farbenfrohe Kleidung getragen hätte, hätten ihn seine Gesichtszüge und der bronzene Teint als Rom verraten.
»Sir«, sagte die Haushälterin entschuldigend zu Kev, »ich bitte vielmals um Verzeihung, Euch bei Eurer Arbeit zu stören. Aber dieser Bursche stand auf einmal vor der Haustür, hat nur unverständliches Zeug geredet und sich nicht davonjagen lassen. Wir dachten, Ihr verstündet ihn womöglich.«
Das unverständliche Zeug erwies sich als völlig fehlerfreies Romani.
» Droboy tume Romale «, sagte der Junge höflich.
Kev erwiderte die Begrüßung mit einem Nicken. » Mishto avilan .« Er führte das Gespräch auf Romani weiter. »Bist du vom Vitsa am Fluss?«
»Ja, Kako . Ich bin vom Rom Phuro geschickt worden, um Euch auszurichten, dass wir einen Rom auf Eurem Besitz gefunden haben. Er ist wie ein Gadjo gekleidet. Wir dachten, dass er vielleicht hierhergehört.«
»Auf unserem Besitz«, wiederholte Kev, während ihm ein kalter Schauder den Rücken hinablief. Augenblicklich wusste er, dass etwas sehr Schlimmes vorgefallen sein musste. Mit aller Gewalt zwang er sich, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. »Hat er sich ausgeruht?«
Der Junge schüttelte den Kopf. »Er ist krank und ganz wirr im Kopf. Und er zittert schrecklich …« Mit den Händen ahmte er das Zucken nach.
»Hat er euch seinen Namen verraten?«, fragte Kev. »Hat er irgendetwas gesagt?« Obwohl sie immer noch auf Romani sprachen, starrten Leo und Mrs Barnstable gebannt zu Kev, da sie den Ernst der Lage zu spüren schienen.
»Was ist los?«, wollte Leo mit gerunzelter Stirn wissen.
Der Junge antwortete Kev: »Nein, Kako , er kann nichts sagen. Und sein Herz …« Der kleine Junge schlug sich ein paar Mal mit der Faust fest gegen die Brust.
»Bring mich zu ihm!« Kev war überzeugt, dass Cam in einer verzweifelten Notlage steckte. Rohan war stets gesund und in hervorragender körperlicher Verfassung. Was auch immer ihm zugestoßen war, konnte keine gewöhnliche Krankheit sein.
Hastig wandte er sich an Leo und die Haushälterin. »Rohan ist krank … Er ist im Lager der Roma. Mylord, ich rate dringend, dass ein Lakai und Fahrer nach Stony Cross Manor geschickt wird, damit er Amelia unverzüglich nach Hause bringt. Mrs Barnstable, ruft den Arzt. Ich bringe Rohan so schnell wie möglich zurück.«
»Sir«, fragte die Haushälterin verwirrt, »meint Ihr Dr. Harrow?«
»Nein«, kam Kevs abrupte Antwort. All seine Instinkte warnten ihn, Harrow in diese Familienangelegenheit hineinzuziehen. »Wenn ich es mir recht überlege, will ich nicht, dass er überhaupt erfährt, was los ist. Haltet die Neuigkeit bis auf weiteres geheim.«
»Jawohl, Sir.« Obwohl die Haushälterin Kevs Gründe nicht nachvollziehen konnte, war sie zu gut geschult, um seine Autorität anzuzweifeln. »Mr Rohan schien es heute Morgen noch sehr gutzugehen«, sagte sie. »Was könnte ihm widerfahren sein?«
»Das werden wir schnellstmöglich herausfinden.« Ohne auf weitere Fragen oder Reaktionen zu warten, packte Kev den Jungen an den Schultern und führte ihn zur Tür. »Lass uns gehen!«
Bei der Vitsa schien es sich um eine kleine, glückliche Sippe zu handeln. Sie hatten ein gut organisiertes Lager errichtet, mit zwei Vardos und einer Handvoll gesunder Pferde und Esel. Der Anführer der Sippe, zu dem der Junge Kev brachte, war ein gut aussehender Mann mit langem schwarzem Haar und warmherzigen dunklen Augen. Er war zwar nicht groß, aber athletisch gebaut und schlank. Kev war vom jungen Alter des Rom Phuro überrascht, den bereits eine Aura der Macht umgab. Denn das Wort Phuro bezeichnete normalerweise einen weisen Mann fortgeschrittenen Alters. Wenn dieses Wort für einen Mann Mitte dreißig benutzt wurde, bedeutete dies, dass es sich um einen ungewöhnlich angesehenen Anführer handeln musste.
Sie begrüßten sich rasch, und der Rom Phuro führte Kev sogleich zu seinem Vardo . »Ist das Euer Freund?«, fragte der Anführer mit offenkundiger Besorgnis.
»Mein Bruder.« Aus irgendeinem unerfindlichen
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