Glut und Asche
Schulter geworfen hatte und sein Gewicht nicht einmal zu spüren schien, rannte mit weit ausgreifenden Schritten voraus und fand wie durch Zauberhand stets eine L ü cke in der panischen Menschenmenge, sodass sie nicht ein ei n ziges Mal anstieß oder mit jemandem zusammenprallte, doch Andrej fiel auch trotz der schwarz-rot gefleckten Schlieren, die seinen Blick immer wieder zu verwischen drohten, auf, dass es auf eine gewisse Art wohl tatsächlich Zauberei sein musste, denn nicht nur sie wich den in heller Panik durcheinanderstürzenden Männern und Frauen aus, auch diese stockten manchmal scheinbar vollkommen sinnlos im Schritt, prallten zurück, kurz bevor sie mit der Nubierin zusammenst o ßen konnten, oder ri s sen einen anderen beiseite.
Hinter ihnen erscholl ein dumpfe r, lang nachhallender Knall, und ein Regen aus Millionen orangefarben glühenden Funken sen k te sich auf den Platz herab, als wäre unmittelbar über ihren Köpfen ein Stern explodiert. Menschen schrien und schlugen mit bloßen Händen auf ihre Kleider oder Haare ein, die mit e i nem Male zu schwelen begannen, und überall brachen neue, winzige Brände aus, die sich nur zu oft zu größeren Feuerne s tern vereinigten, um zu dem allgemeinen Inferno beizutragen. Die Stadt starb, begriff er, und keine Macht der Welt konnte sie noch retten.
Irgendwann musste er wohl doch das Bewusstsein verloren haben, denn plötzlich waren der brennende Platz und die pan i sche Menschenmenge verschwunden, und sie fanden sich in einer schmalen, nach Rauch und schmorendem Fleisch ri e chenden Gasse wieder. Abu Dun stolperte über eines der zah l losen schwelenden Trümmerstücke, die die Straße blockierten, und hätte ihn um ein Haar fallen gelassen. Andrej nutzte die Gel e genheit, seinem Stolz zumindest der Form halber Genüge zu tun und sich mit schwächlichen Bewegungen aus seinen Armen zu befreien. Schon in der nächsten Sekunde bedauerte er seinen Entschluss, denn als Abu Dun ihn behutsam zu Boden setzte, gaben seine Knie unter ihm nach, sodass er gestürzt w ä re, hätte der Nubier nicht rasch nach seinem Arm gegriffen und ihn festgehalten. Abu Dun war ausnahmsweise einmal rüc k sichtsvoll genug, die Gelegenheit zu einer stichelnden Beme r kung ungenutzt verstreichen zu lassen, doch Meruhe runzelte missbilligend die Stirn und deutete dann wahllos auf das nächstbeste Gebäude.
»Dort hinein!«, befahl sie.
Darauf reagierte Abu Dun nur mit einem Stirnrunzeln und rührte sich nicht, auch Andrej machte ein zweifelndes Gesicht. »Sollten wir nicht besser ...«, begann er, wurde aber sofort und in ungeduldigherrischem Tonfall von Meruhe unterbrochen.
»Dieser Ort ist so gut wie jeder andere«, sagte sie. »Du brauchst eine Pause. Niemand hat etwas davon, wenn du über deinen Stolz stolperst und zusammenbrichst.«
Nicht, dass Andrej ihr in diesem Punkt widersprochen hätte. Abu Dun hatte seinen Arm losgelassen, stand aber bereit, sofort wieder zuzugreifen, sollten ihm abermals die Kräfte schwinden, und Andrej war ganz und gar nicht sicher, dass diese Vo r sichtsmaßnahme übertrieben war. Dennoch versuchte er es noch einmal. »Sie werden nach uns suchen.«
Meruhe machte ein abfälliges Geräusch und rückte die le b lose Last auf ihrer Schulter in eine etwas bequemere Position. »Wer immer dort lebend herausgekommen ist, hat jetzt Bess e res zu tun, glaub min« Wieder winkte sie energisch. »Dorth i nein!«
Andrej war viel zu erschöpft, um noch einmal zu widerspr e chen, und auch Abu Dun hob nur schwach seufzend die Schu l tern und warf ihm einen fragenden Blick zu. Andrej warf trotzig den Kopf in den Nacken und machte einen energischen Schritt in die Richtung, in die Meruhe gedeutet hatte. Abu Dun griff gerade noch rechtzeitig genug zu, damit aus seinem ung e schickten Stolpern nicht tatsächlich ein Sturz wurde, verdrehte vielsagend die Augen und sparte sich auch jetzt jeden Ko m mentar Nicht, dass er das nicht später nachholen würde, dachte Andrej missmutig. Und berechtigt wäre es zudem auch.
Das Haus, durch dessen halb aus den Angeln gerissene Tür sie stolperten, musste früher einmal recht ansehnlich gewesen sein, war jetzt aber wenig mehr als eine verbrannte Ruine. Seine scharfen Augen offenbarten ihm Einzelheiten, die jedem and e ren in dem schwachen Licht, das von außen hereinfiel, entga n gen wären, doch es waren Details, auf die er gerne verzichtet hätte. Mobiliar und Einrichtung waren zu unförmigen schwa r zen Silhouetten zusammen
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