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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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allmählich b e gann er sich zu fragen, ob er auch nur eine Ahnung hatte, wer sie wirklich war.
    Sie schloss noch einmal die Augen, wie um Kraft zu sa m meln, stemmte sich dann weiter in die Höhe und schüttelte be i läufig den Kopf, als Andrej ihr helfen wollte.
    »Ist auch wirklich alles in Ordnung?«, fragte Andrej.
    »Nein«, antwortete sie. »Aber wir können uns später gege n seitig leidtun. Jetzt sollten wir von hier verschwinden. Ich glaube nicht, dass meine Kraft reicht, um sie noch einmal zu tä u schen.«
    Andrej fragte lieber nicht nach der Bedeutung dieser Worte, sondern wollte sich zu Abu Dun herumdrehen, doch Meruhe hielt ihn mit einem raschen Kopfschütteln zurück und deutete hinter sich. »Dort entlang.«
    Andrej überließ es ihr, vorauszugehen und ihren Weg zu b e stimmen. Zufall oder nicht auf dem ersten Stück begegnete i h nen weder ein einziger Mensch, noch sahen sie irgendwelche Anzeichen von Zerstörung. Der Weg, den Meruhe einschlug, führte durch einen Teil der Stadt, der der Feuersbrunst bisher entgangen war Aber er war verlassen. Nicht in einem einzigen der einfachen Häuser, an denen sie vorüberkamen, regte sich auch nur eine Spur menschlichen Lebens, weder hör - noch sichtbar oder für seine anderen Sinne zu erspüren. Ein von Läusen halb zerfressener Köter lief ihnen eine Weile kläffend und geifernd hinterher, zog aber dann den Schwanz ein und trollte sich, als Abu Dun sich mit gefletschten Zähnen zu ihm herumdrehte und seinerseits ein drohendes Knurren ausstieß. Meruhe lächelte flüchtig über den kleinen Zwischenfall, b e schleunigte ihre Schritte aber nur noch mehr, sodass sie sich schon beinahe im Laufschritt we i terbewegten.
    Selbst das fiel Andrej mittlerweile schwer Vielleicht zum ersten Mal seit Jahrhunderten konnte er wieder nachempfinden, wie sich ein ganz normaler Sterblicher in einer Situation wie dieser fühlen musste, und es war ganz und gar kein angenehmes G e fühl.
    »Nicht mehr lange, Andrej.« Meruhe deutete nach vorne und damit scheinbar willkürlich in das chaotische Muster aus l o derndem rotem und gelbem Feuer und bodenlosen schwarzen Schatten hinein. »Sobald wir bei der Brücke sind, helfe ich dir.«
    »Das ist... eine gute ... Idee«, japste Andrej kurzatmig. Abu Dun drehte im Gehen den Kopf und warf ihm stirnrunzelnd e i nen Blick zu, und Andrej fuhr fort: »Und bei der Gelege n heit...«
    »... zeige ich dir auch gleich, wie man seine Gedanken vor anderen abschirmt«, fiel ihm Meruhe ins Wort. »Falls das dann noch nötig ist.«
    »Wie überaus großzügig von dir, oh du Blume des Morge n lands«, sagte Abu Dun. »Aber was mich sehr viel mehr intere s sieren würde, ist die Antwort auf die Frage, wie ihr das hier gemacht habt.«
    »Das hier?«
    Abu Dun wedelte mit der Hand in Richtung der von ihren Bewohnern verlassenen Häuser rechts und links der Straße. »Allmählich wird mir klar, warum es bisher nur so wenige O p fer unter der Bevölkerung gegeben hat.«
    »Weil niemand da ist, der verbrennen kann, ja.«
    »So wenig ... wie noch jemand ... da ist, der das ... Feuer l ö schen kann«, fügte Andrej keuchend hinzu. Er hätte gern noch mehr gesagt, begriff aber auch endgültig, dass er sich entsche i den musste, weiter mit Abu Dun und ihr Schritt zu halten oder zu reden. Irgendwie gelang es ihm - noch -, den Gedanken weit genug an den Rand seines Bewusstseins zu drängen, um sich nicht der Furcht zu stellen, mit der er ihn erfüllen wollte, aber er begann sich allmählich zu fragen, ob er den Weg bis zur Brücke noch schaffen würde.
    »Wären wir perfekt oder unbesiegbar, dann wäre es nicht notwendig, ein Feuer zu löschen«, antwortete Meruhe. »Ich musste eine Entscheidung treffen.« Plötzlich lachte sie. »Vie l leicht musste es ja so kommen. Habe ich dir je erzählt, dass ich dabei war, als diese Stadt gegründet wurde? Vielleicht ist es nur recht und billig, dass ich auch an ihrem letzten Tag anwesend bin.«
    Das war eine Logik, der Andrej nicht ganz folgen konnte, aber sie hatte ihm, vielleicht unabsichtlich, etwas verraten, das ihm weit mehr zu denken gab. Sie hatte gesagt ich habe eine En t scheidung getroffen, nicht wir.
    Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her (z u mindest Abu Dun und Meruhe, Andrej versuchte mit immer weniger Erfolg, mit ihnen Schritt zu halten), dann verlangsamte Meruhe allmählich ihre Schritte und blieb schließlich ganz st e hen. A n drej empfand flüchtig ein Gefühl von Dankbarkeit - wenigstens

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