Glut und Asche
so lange, bis sie sich zu ihm herumdrehte und ihn voller unve r hohlener Sorge musterte. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
Natürlich nicht. »Sicher.«
»Ich musste nicht einmal deine Gedanken lesen können, um zu wissen, was für ein erbärmlicher Lügner du bist, Andrej«, sagte Meruhe kopfschüttelnd. Sie überlegte. »Wartet hier. Ich bin gleich zurück.« Und schon im nächsten Auge n blick war sie einfach verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
»Was glaubt sie denn, wohin wir gehen?«, maulte Abu Dun.
Andrej wartete, bis er ihre Präsenz nicht mehr fühlte, bevor er antwortete: »Vielleicht so weit weg von ihr, wie es nur geht. Egal, in welche Richtung.«
»Und das aus deinem Mund, Hexenmeister?«, erwiderte Abu Dun. »Noch vor einer halben Stunde ...«
»... habe ich manches anders gesehen«, unterbrach ihn A n drej. Abu Dun sah ihn zweifelnd an, fragte aber zu seiner E r leichterung nicht weiter nach, und Andrej machte eine bekrä f tigende Geste in Richtung der schwarzen Schlucht, die das Feuermeer zu ihrer Linken spaltete - der Themse. Im Grunde war ihm die Richtung gleich, solange es nicht die war, in die Meruhe g e gangen war.
Abu Dun rührte sich nicht. »Ich bin nicht sicher, ob ich dich im Moment ernst nehmen sollte, Hexenmeister.«
»Wann hättest du das jemals getan?«
Abu Dun war nicht amüsiert, sondern leise verärgert. »Ich bin es ja gewohnt, dass du deine jeweilige Meinung schneller ä n derst als meine Freundinnen ihre Vornamen ... aber Meruhe? Ich dachte, sie wäre der Mensch auf der Welt, dem du am a l lermeisten vertraust ... nach mir versteht sich.«
Andrej ignorierte die letzten Worte. Ihm war nicht nach Scherzen zumute, schon lange nicht mehr. »Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll«, sagte er »Vielleicht ...« Er hob hilflos die Schultern. »... war sie niemals das, wofür ich sie gehalten habe.«
»Ganz bestimmt sogar nicht«, antwortete Abu Dun, nur um im nächsten Atemzug hinzuzufügen: »Wofür auch immer du sie gehalten haben magst.«
Andrej war nicht nach rhetorischen Spielchen. »Ich bin nicht einmal mehr sicher, ob sie überhaupt ein Mensch ist, Abu Dun.«
Der Nubier schwieg eine Weile, sah ihn auf eine beunruh i gende Art besorgt an und antwortete dann: »Bist du denn s i cher, dass wir noch Menschen sind, Andrej?«
Er wollte gerade antworten, als Abu Dun mit einem Ruck den Kopf hob und lauschte, und nur eine Sekunde später spürte Andrej es auch: Irgendwo in ihrer Nähe erlosch ein Leben, nicht weit genug, dass sie es nicht gespürt hätten, aber auch nicht nahe genug, um sagen zu können, was genau geschehen war.
In einer Nacht wie dieser war es sicherlich nichts Außerg e wöhnliches, wenn ein Mensch starb.
»Anscheinend können sie doch nicht alle schützen«, sagte Abu Dun finster, als hätte er nun Andrejs Gedanken gelesen, machte zugleich aber auch eine abwehrende Handbewegung und knüpfte an seine vorherigen Worte an, als wäre nichts g e schehen. »Ich bin wirklich der Letzte, der sie verteidigen wü r de, nur weil sie ist, wer sie ist, Andrej. Aber du solltest auch nicht vo r schnell urteilen. Nur weil Loki und seine Verbündeten zu ihrer Art gehören, heißt das nicht unbedingt, dass sie gena u so ist.«
»Ich kann mich ja täuschen, aber haben wir gerade die Ro l len getauscht? Vor weniger als einer Stunde wolltest du mich überzeugen, dass Ich Ihr nicht trauen kann.«
»Und daran hat sich nicht das Geringst e geändert«, antwo r tete der Nubi e r. »Aber es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir weit über das Ziel hinausschießen.« Er sah einen Moment schwelgend In die Richtung, In die Meruhe gegangen war. »Wenn du willst, verschwinden wir von hier Es Ist nicht weit bis zum Fluss hinunter. Von dort aus kommen wir rasch aus der Stadt, selbst wenn sie bis auf die Grundmauern niederbrennen sollte. Aber bist du dir wirklich sicher, dass es das Ist, was du willst?«
»Ich fürchte, Im Moment weiß er selbst nicht so genau, was er will, mein Freund. Er vermutlich am allerwenigsten.« Meruhe tauchte genauso lautlos und jäh wieder aus der Du n kelheit auf, wie sie darin verschwunden war. »Aber das Ist auch nur ve r ständlich.«
»Wo warst du?«, fragte Abu Dun. Seine Stimme troff vor Misstrauen.
»Ich habe versucht, einen leichteren Weg für uns zu finden«, antwortete sie.
»Und hast du ihn gefunden?«
»Vielleicht«, antwortete sie. »Aber wir sollten uns besser b e eilen.« Das taten sie. Meruhe eilte
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