Glutheißer Höllentrip
Richard erst einmal von den Männern kuriert. Sie hat seitdem keinen neuen Freund mehr gehabt. Und ich? Ich war schon öfter verliebt. Aber ich frage mich bei jedem Typen, ob nicht so ein Richard in ihm stecken könnte.“
„Ja, man muss die Menschen durchschauen lernen. Ich glaube zum Beispiel, dass dieser David ganz anders ist als Pete, Jay und Henry. Und zwar nicht nur, weil du dich für ihn interessierst.“
Kathy fühlte sich ertappt. Andererseits war sie froh, dass Li nach dieser harten Lebensbeichte das Thema wechseln wollte. Warum hatte sie überhaupt von ihrem Stiefvater erzählt? Vielleicht weil Petes gemeine Art sie so stark an ihn erinnert hatte. Doch jetzt dachte sie nicht mehr daran, weil Lis Bemerkung sie neugierig gemacht hatte.
„Wie kommst du denn darauf?“
„David hat eine ganz andere Körpersprache als die anderen Ganoven.“
„Aha! Du beobachtest ihn also auch.“
„Ja, aber ich fahre nicht auf ihn ab. Ich habe dir ja schon gesagt, dass ich mich während meines Gastsemesters nicht verlieben will. Und schon gar nicht in einen Kriminellen. Obwohl ich mir bei David wirklich vorstellen könnte, dass er nur zufällig auf die schiefe Bahn geraten ist.“
Kathy horchte auf. Darüber hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht. Sie wollte unbedingt wissen, was Li über David zu sagen hatte. „Da musst du schon etwas genauer werden.“
„Es fängt schon mit Äußerlichkeiten an. Die anderen drei Ganoven haben alle tätowierte Unterarme. Ich weiß nicht, was diese Zeichen symbolisieren sollen. Aber in China ist es so, dass Knast-Tattoos etwas über ihren Träger aussagen. Beispielsweise kann man daran ablesen, was ein Gefangener verbrochen hat und wo er in der Hackordnung hinter Gittern steht. Das wird in Amerika nicht anders sein.“
„Vielleicht hat ja David noch nicht so lange gesessen und sich deshalb noch kein Bildmotiv stechen lassen.“
„Okay, das könnte sein. Aber David bewegt sich auch ganz anders als die anderen Kerle. Er wirkt auf mich total fit und durchtrainiert. Sicher, Jay hat auch dicke Muskeln. Aber er ist ein grober Klotz, der mit seiner Kraft nicht viel anfangen kann.“
Bevor Kathy und Li noch intensiver über David reden konnten, wurden sie durch einen verzweifelten Ruf abgelenkt.
„Hilfe, meinem Mann geht es schlecht!“, rief Wilma Hayes.
Pete ging mit schussbereiter Waffe nach hinten zu dem älteren Ehepaar. Kathy warf einen Blick in die Richtung. Der alte Mann war wirklich sehr bleich. Carl Hayes hatte seine Augen weit aufgerissen, er atmete mit offenem Mund. Man musste keine medizinische Ausbildung haben, um seinen Zustand erkennen zu können. Carl Hayes war offenbar akut sehr krank.
„Was ist mit deinem Alten, gibt er den Löffel ab?“, fragte Pete gefühllos.
„Mein Mann – er hat ein schwaches Herz. Es hat ihn sehr aufgeregt, dass Sie … dass die junge Frau vorhin sterben musste. Können Sie nicht einen Arzt rufen, bitte?“
Der Anführer lachte, als wenn die besorgte alte Frau einen Witz gemacht hätte. Doch davon konnte keine Rede sein. In Wilma Hayes’ Augen glitzerten Tränen.
„Einen Doc? Warum nicht gleich die Nationalgarde?“, höhnte Pete. „Nein, das kannst du komplett vergessen, Grandma. Der alte Knochen ist zäh, für so was habe ich ein Gespür. Er wird sich schon noch wieder einkriegen. Wir sind schließlich alle nicht zu unserem Vergnügen hier.“
Pete wollte schon wieder nach vorn gehen, aber die alte Frau hielt ihn zurück.
„Bitte, haben Sie doch Mitleid. Es bringt Ihnen doch auch nichts, wenn noch eine weitere Geisel stirbt!“
Kathy konnte sich nicht vorstellen, dass die flehenden Worte von Wilma Hayes Pete berührten. Doch sie schienen ihn nachdenklich zu machen.
Er senkte den Kopf und schwieg einen Moment. Dann drehte er sich abrupt um. „Du da! Komm her!“
Kathy wurde es innerlich eiskalt, als der Anführer mit dem Pistolenlauf auf Li zeigte. Was plante dieser Psychopath als Nächstes?
Die Chinesin folgte dem Befehl jedenfalls im Handumdrehen und bewegte sich auf Pete zu. Kathy fand es bewundernswert, dass Li noch nicht einmal zitterte. Schließlich hatte Pete vor Kurzem erst Liza erschossen. Kathy glaubte den scharfen Pulvergestank noch in der Luft wahrnehmen zu können. Aber vielleicht war das auch nur Einbildung.
Li blieb unmittelbar vor Pete stehen. Der Verbrecher blinzelte neugierig. Die Chinesin hatte ihre Hände vor dem Bauch gefaltet wie eine Musterschülerin. Kathy fand, dass sie bewundernswert
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