Glutheißer Höllentrip
keinen Zweifel. Kathy hatte nach wie vor keine Waffe, aber das war ihr in diesem Moment egal. Sie drehte sich um und eilte so schnell wie möglich in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Sie musste unbedingt ihrer Freundin beistehen. Kathy hatte schon viel zu viel Zeit damit verschwendet, sich selbst zu bedauern. In diesen Momenten hätte Li sie vielleicht gebraucht. Und dieser Gedanke trug nicht gerade dazu bei, dass sie sich besser fühlte.
Kathy hörte ihr eigenes Herz in der unnatürlichen Stille der Höhle rasend schnell schlagen. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie stolperte über eine Felsnase, fiel hin und schlug sich das Knie auf. Doch sie spürte die Schmerzen kaum. Sofort kam sie wieder auf die Beine und hetzte weiter. Nun war sie wieder so nahe an dem immer noch brennenden Lagerfeuer, dass sie die Wärme aus der Entfernung schon spüren konnte.
Außerdem spendeten die lodernden Flammen Licht. Deshalb konnte Kathy nur allzu deutlich das grauenhafte Bild in sich aufnehmen, das sich ihr bot. Li lag leblos auf dem Steinboden, den Kopf unnatürlich verdreht. Kathy fühlte sich, als ob eine eiskalte Klaue nach ihrem Herzen greifen würde. Sie kniff die Augen zu und wünschte sich, sie würde einen Albtraum erleben. Aber das hier war leider die harte Realität.
Doch noch wollte sie sich mit den Tatsachen nicht abfinden. Kathy eilte zu ihrer Freundin und fiel neben ihr auf die Knie.
„Li, sag doch etwas!“
Der Kopf der Chinesin stand in einem seltsamen Winkel vom Oberkörper ab. Sie lag halb auf der Seite, ihre erstarrten Augen waren offen. Ihr Gesichtsauszug zeigte keinen Schmerz, nur grenzenlose Überraschung. Sie musste sofort gestorben sein, nachdem sie diesen grauenvollen Schrei ausgestoßen hatte. Wahrscheinlich war ihr längeres Leiden erspart geblieben. Doch das war für Kathy auch kein Trost.
Kathy berührte vorsichtig Lis Gesicht. Noch nie zuvor hatte sie eine Leiche angefasst. Aber jetzt tat sie es. Und nun wusste Kathy ohne Zweifel, dass kein Leben mehr im Körper ihrer Freundin war: In der Halsschlagader war kein Puls mehr zu fühlen.
Kathy fühlte sich entsetzlich. Sie wurde von einer gewaltigen Welle der Trauer überrollt. Li und sie selbst hatten sich erst vor Kurzem kennengelernt, sie hätten beste Freundinnen werden können. Doch damit war schon wieder Schluss, und zwar für immer. Li hatte es nicht verdient, in dieser düsteren Höhle mitten im Nirgendwo zu sterben. So ein Ende hätte Kathy ihrer schlimmsten Feindin nicht gewünscht.
Allmählich begriff sie, was für Folgen Lis Tod für sie selbst hatte. Sie war jetzt allein mit einem geisteskranken Gewalttäter in einem völlig unübersichtlichen Grottenlabyrinth! Und dieses Grauen war beinahe noch stärker als die Trauer über das plötzliche Ende ihrer Freundin.
Es war, als ob Kathy durch ihre Gedanken Reginald Brown magnetisch angezogen hätte. Jedenfalls hörte sie plötzlich ein raues Keuchen hinter sich. Alarmiert drehte Kathy sich um.
Der selbst ernannte Si-Te-Cah-Forscher stand ungefähr zwei, drei Meter von ihr entfernt. Brown musste sich in einem der Höhlenteile versteckt haben, die in völliger Finsternis lagen. Auf jeden Fall hielt er immer noch die beiden Messer in seinen Fäusten.
In Kathy war plötzlich eine unbändige Wut, sie war stärker als die Trauer und die Furcht zusammen. Und das war ein gutes Gefühl.
„Du verdammter Mörder!“, schrie sie Brown an.
Nun geschah etwas, das Kathy nicht für möglich gehalten hätte. Browns Gesichtsausdruck veränderte sich. Er sah richtig schockiert und betroffen aus. Er wirkte verwirrt, aber nicht gefährlich.
„Mörder? Nein, ich war das nicht! Die junge Frau – sie muss von dort oben herabgestürzt sein. Dort geht es steil hoch zu einem sehr schmalen Felspfad. Man kann auf den Steinen sehr leicht ausrutschen.“
Brown deutete nach oben. Unwillkürlich folgte Kathys Blick seinem Hinweis. Es stimmte, im Schein des Lagerfeuers war ein Felsvorsprung zu erkennen, der sich weit über dem Höhlenboden befand. Wenn Li von diesem Punkt aus herabgefallen war, konnte sie sich wirklich den Hals gebrochen haben. Aber in Kathys Augen machte das kaum einen Unterschied. Letztlich war Brown für Lis Tod verantwortlich. Wäre sie nicht vor ihm davongelaufen, hätte es diesen Unfall nicht gegeben. Das war jedenfalls Kathys Meinung.
Ihr fiel auf, dass Brown soeben recht vernünftig mit ihr geredet hatte. Ob es bei ihm immer mal wieder lichte Momente gab? Verlassen
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