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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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der kulinarische Gruß der Küche folgen prompt und lullen Degenwald ein. Er fühlt sich in eine angenehme Stimmung versetzt, der er sich nur schwer entziehen kann. Und wenn er’s recht überlegt, hat er auch gar nicht vor, dem Angenehmen zu entgehen. Eigentlich hat er sogar die Absicht, das heutige Frühstück, das ihm noch schwer im Magen liegt, schnellstmöglich aus Kopf und Körper zu bekommen. Und wo gelänge das besser und stilvoller als in Aschau. In der Residenz Winkler. Wo das Gesicht einer Frau, das er immer mit einem Aufenthalt hier verbunden hat, noch schöner wird. Dieses Gesicht nimmt, ganz gegen seinen Willen, Elsas Züge an. Degenwald schließt die Augen und wartet, dass das Bild vergeht. Haberstock hilft ihm dabei, als er zu sprechen beginnt.
    »Gönnen wir uns das große Menü?«, schlägt er vor. Er winkt, ohne auf eine Antwort zu warten, nach dem Ober. Dessen verständiges Lächeln springt sofort an und er ist mit wenigen Schritten an ihrem Tisch.
    »Sie gehen ganz schön ran. Das muss man Ihnen lassen«, entgegnet Degenwald, ohne sich vom Kellner irritieren zu lassen.
    »Ich lade ein. Oder besser gesagt, die Stibo-Bauträgergesellschaft«, tönt Haberstock mit willigem Unterton. Es hat ganz den Anschein, als kenne er sich hier bestens aus und sei an derlei exquisite Gerichte und die passenden Preise gewöhnt.
    »Liebend gern, aber«, Degenwald zuckt mit der Schulter, »das geht leider nicht. Das würde man mir als Bestechung anlasten.« Er grinst dem Ober zu, der wie eine Marionette neben ihnen ausharrt und so tut, als höre er nichts von dem, was besprochen wird.
    »Selbst wenn niemand davon erfährt? Ich setze die Rechnung nicht ab und wir machen keine Erinnerungsfotos für Facebook«, schlägt Haberstock vor, während er sich über seinen im Wachsen begriffenen Bauch streicht.
    Degenwald lacht leise in sich hinein. Dieser Haberstock ist die Verkörperung eines Menschen, der gutem Essen und Trinken nie und nimmer widersteht. Und passenden Frauen, die danach zum Einsatz kämen, auch nicht. Die Kombination gefällt ihm. Als krasses Gegenstück zu sich selbst. »Verlockendes Angebot. Allerdings ohne Hoffnung auf Realisierung. Als Kriminalhauptkommissar muss ich eine reine Weste behalten. Nicht nur nach außen hin. Auch mir selbst gegenüber.« Degenwald zuckt erneut mit der Schulter. Diesmal weniger vehement.
    »Also ich kann keinen Fleck auf Ihrem Jackett erkennen.« Haberstock holt seine Brille hervor, setzt sie auf und schaut noch einmal, diesmal genauer, hin. Dann grinst er. »Alles sauber. Sag ich doch!«, bestätigt er. Degenwald kann nicht anders. Er schließt sich Haberstocks ausuferndem Grinsen an.
    »Hut ab!«, poltert Haberstock weiter, als keine Reaktion von Degenwald kommt. Er steckt seine Brille zurück ins Sakko und nimmt einen Schluck Quellwasser. »Sie sind ein Vorbild polizeilicher Rechtschaffenheit und menschlicher Geradlinigkeit. Wo gibt’s so was noch?« Er wendet sich an den Ober, der ein Ausbund an Geduld ist. »Wie auch immer. Wir nehmen zweimal das Überraschungsmenü. Und die Rechnung fällt heute flach. Setzen Sie alles auf die Monatsrechnung der Firma. Und, falls Sie je nach uns gefragt werden«, er zwinkert dem Ober verschwörerisch zu und steckt ihm einen Schein zu, den er lässig aus der Hose fischt, »wir waren nie hier.«
    Der Kellner nickt dezent und unterdrückt die minimale Gefühlsbekundung – ein verstehendes Lächeln – so schnell, wie sie gekommen ist. »Diskretion geht immer aufs Haus«, verspricht er. Mit einer kaum wahrnehmbaren Verbeugung geht er davon. Ganz der willige Diener.
    Degenwald versucht, in Haberstocks Gesicht zu lesen. Was verschafft ihm die Sicherheit, derartig hartnäckig und konsequent über seine Worte hinwegzusehen? Es ist kaum zu fassen.
    »Kommen wir zum Thema. Damit wir beim Essen ungestört von Mord und Totschlag sind.« Haberstock hält Degenwald sein Glas entgegen. Man stößt an und nippt. Degenwald stellt – nach einem genüsslichen Schluck – sein Glas zurück und kostet das Schaumsüppchen von Roter Rübe mit Safranfäden und kleiner Kaviargarnitur, das der zweite Kellner gerade mit schwebendem Griff vor ihm abgesetzt hat. Danach sticht er mit der Gabel ins Selleriepüree mit Kalbsbutterschnitzel und süßsaurem Kürbisconfit. Seine Augen rollen in alle Richtungen. Er traut sich kaum, diese Geschmacksexplosion im Mund durch Hinunterschlucken in die Vergangenheit zu drängen. Er behält die Geschmäcker lieber noch einen

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