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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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dabei.
    »Besser!«, entgegnet Elsa, lächelt ebenfalls und wischt sich die Tränen, die die Schärfe der Chili-Olive ihr in die Augen getrieben hat, mit dem Pulloverärmel weg.
    Später, als er erzählt, dass Luise Gasteiger und ihr Mann Roland zwar auf demselben Hof, aber seit Jahren von Tisch und Bett getrennt lebten, dass es Gerede gab, er hätte eine Geliebte und die erpresse ihn mit einem gemeinsamen Kind, für das er finanziell aufkomme, bittet Elsa um einen Wodka. Das Thema Ehestreitigkeiten scheint sie zu verfolgen und liegt ihr zudem im Magen. Degenwald schaut sie kurz an, sagt aber nichts zu ihrem Wunsch.
    »Ich hab Lust, was Anständiges zu trinken. Etwas, das sich in mir bemerkbar macht. Außerdem kann ich notfalls zu Fuß nach Hause gehen. Falls Sie sich deshalb Gedanken machen.«
    »Wenn Sie den Wagen stehen lassen möchten, bringe ich Sie selbstverständlich heim.«
    Degenwald nimmt jeweils zwei Likörgläser und dicke, robuste Longdrink-Gläser aus dem Schrank. »Wodka darf niemals zu kalt, aber auf keinen Fall zu warm serviert werden«, referiert er. »Damit sich der volle Geschmack entfaltet, trinkt man ihn am besten mit großen Eiswürfeln. Optimale Temperatur: acht bis zehn Grad.«
    Er gießt die vier Gläser voll. Seine Augen bleiben stetige Begleiter seines Lächelns. Fertig eingegossen, schiebt er zwei davon Elsa hinüber.
    Seine Blicke sind wie ein fleißiger Besen, der Dreck wegfegt. Konzentriert und eifrig, stellt Elsa fest. Sie ist diejenige, die die Grübelei darüber aufnimmt, nicht die Verursacherin, mutmaßt sie. Doch seine Augen suchen, nachdem sie allen Schmutz beseitigt haben, nach etwas Sauberem. Vielleicht nach dem reinsten Gefühl überhaupt. Der Liebe. Innerlich schreckt Elsa zusammen. Weil sie ein gefährliches Wort benutzt hat. Liebe! Sie ist sich nicht sicher, ob sie Liebe je wieder aufnehmen wird können. Aufnehmen noch am ehesten, antwortet sie sich prompt. Ausleben schon weniger.
    Sie tut sich schwer, seinem Blick standzuhalten, und noch schwerer, ihn zu verdauen. Degenwald schiebt die Gläser noch näher zu Elsa hin. Als zweite Aufforderung. »Probieren Sie ihn pur und mit Eis«, meint er. Sie stoßen an.
    Elsa kippt das erste Glas hinunter und zieht dann eine angestrengt fröhliche Miene, der man das Aufgesetzte ansieht. »Herrlich! Jetzt geht’s besser. Erzählen Sie weiter. Was muss ich über Kruchenhausen und seine Bewohner wissen und natürlich über die Details unseres Falls? Wenn es denn einer ist. Und, nebenbei, wo befindet sich dieses Kaff – Kruchenhausen – überhaupt?« Elsa ist froh, auf das Thema zurückkommen zu können. Ihr Ausweg aus der Misere angedachter Liebe.
    »Höchste Zeit, dass Sie sich Ihre neue Heimat anschauen. Ich stelle mich gern als Fremdenführer zur Verfügung. Was meinen Sie? Wollen wir mit Kruchenhausen beginnen?«
    Elsa starrt Degenwald an, als mache er ihr ein unmoralisches Angebot. Ihre sanft geschwungenen Nasenflügel beben. Dabei geht es lediglich darum, den Tatort eines vermuteten Verbrechens zu inspizieren.
     
    Hartnäckigkeit ist ihr Plus und ihr Minus zugleich. Ein Charakterzug, der von solch unsäglicher Unbeirrbarkeit zeugt, lässt sie hier, in der Tiefe Bayerns, wo man es gern gemütlich angeht, wenn man sich kennt, und verschlossen bleibt, wenn man sich fremd ist, erst recht wie eine Fremde erscheinen. Menschen mit ihrer Aussprache, ohne Dialekt auf der Zunge, noch dazu mit einer derartigen Intensität beim Arbeiten kommen nicht gut an. In Kruchenhausen sicher nicht besser als in Unterwössen, wo Elsa, ganz in der Nähe der Kirche, eine neue private Heimat gefunden hat. Zumindest fürs Erste.
    Der Ort ist wenige Minuten von Elsas Haus entfernt und gibt nicht mehr her als einige Häuser und Bauernhöfe und viel Landschaft drum herum. Rechter Hand wächst der Balsberg, der im Winter von den Kindern zum Skifahren genützt wird, schüchtern aus dem Boden. Ansonsten ist die Landschaft von Tannen, ein wenig Laub, Wiesen und wie gemalt aussehenden dunkelgelben Karamellwolken über allem geprägt. Wolken, die regelrecht zu duften scheinen.
    Elsa fährt den Schmidhauserweg aus. Degenwald, der neben ihr sitzt, redet. »Wir haben bereits mit jedem gesprochen, der zur Verfügung stand. Vermutlich ist Luises Tod – akute Unterzuckerung übrigens – eine traurige Laune des Schicksals.«
    »Dafür pfeifen Sie mich zurück? Für einen Durchschnittsfall, der vermutlich noch nicht mal einer ist?« Elsa sieht ihren Kollegen tadelnd an.

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