Glutopfer. Thriller
Meeresfrüchte und Pommes frites. Die beiden Männer treffen sich hin und wieder inoffiziell hier, um zusammen zu essen. Rachel ist eine hoffnungslose Köchin, und Ben traut sich nicht, es ihr zu sagen.
»Was habe ich dir denn erzählt?«
»Von deinen Erinnerungen. Ob du in dem Haus warst, als es abgebrannt ist, oder ob du dir das nur eingebildet hast. Von deinen Panikattacken.«
»Die haben damit nichts zu tun.«
»Brian hat einen Abschluss in Psychologie.«
»Ich auch. Hat nichts geholfen.«
Ben lächelt.
»Er hatte eine Weile Privatpatienten. Er ist sehr gut, sehr verständnisvoll.«
Daniel stößt einen langen Seufzer aus.
»Bist du sauer?«
»Nein.«
»Ich dachte, es macht dir nichts aus. Sonst hätte ich ihm das nicht erzählt.«
»Es macht mir nichts aus.«
»Willst du mit ihm reden?«
»Ich habe keinen Grund, es nicht zu tun.«
Daniel sieht Sam auf der anderen Seite des Restaurants und lächelt.
»Trotzdem«, fügt er hinzu, »du hättest mich vorher fragen sollen.«
»Ich weiß«, sagt Ben, »ich dachte nur –«
»Willst du’s wiedergutmachen?«
»Ja, klar. Wenn es was gutzumachen gibt.«
»Dann lass dir dein Essen einpacken und verdrück dich durch die Hintertür.«
»Es ist ungesund, allein zu essen«, sagt Daniel.
Sam blickt von ihrem Teller auf und sieht, dass Daniel mit Teller und Glas in der Hand vor ihr steht. In ihrer Geistesabwesenheit hat sie ihn im Restaurant gar nicht bemerkt.
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Sie freut sich wirklich, ihn zu sehen.
Sie schüttelt den Kopf.
»Bin wahrscheinlich keine angenehme Gesellschaft.«
Er stellt einen halb abgegessenen Teller mit gekochten Shrimps und gedämpftem Gemüse auf den Tisch und setzt sich ihr gegenüber.
»Darf ich wirklich?«, fragt er.
»Ja«, sagt sie. »Tut mir leid. Ich bin nur übernächtigt und in Gedanken.«
Sie beißt noch einmal in ihren Cheeseburger.
»Die besten Meeresfrüchte der Welt, und du isst einen Hamburger?«
Sie lächelt.
»Hab eigentlich gar keinen Hunger. Ich wusste nur, dass ich was brauche.«
Sie schweigen eine Weile, während draußen die Straßenlaternen aufflammen und der Verkehr nachlässt. Um sie herum sitzen nur Stammgäste beim Abendessen, freundliche Kleinstadtbewohner, die sich wohl miteinander fühlen, sicher, in ihrer kleinen Welt.
Sam hatte die schlichten Freuden des Kleinstadtlebens ganz vergessen, das ruhige Tempo, die freundliche Atmosphäre unter guten Nachbarn, die durch gemeinsame Interessen und Verwandtschaft verbunden sind.
»Nett hier«, sagt sie.
Er lächelt.
»Ich verstehe, warum du wieder hergezogen bist.«
Er nickt langsam, als wäre er nicht so sicher.
»Funktioniert das für dich?«
»Was?«
»Von wegen bewusst leben, nur mit den wesentlichen Tatsachen des Daseins zu tun haben, der ganze Mist, den du gestern abgesondert hast.«
Er lächelt.
»Es hat was, sagt er und zögert, ehe er weiterspricht. Du hattest recht. Ich bin wegen Graham und Holly hier. Vor allem wegen Graham. Das andere, was ich gesagt habe, war aber ernst gemeint. Ich glaube, Thoreau ist auf etwas gestoßen, und das hat mein Leben besser gemacht, aber …«
Sie hört aufmerksam und mit echtem Interesse zu, vergisst vorübergehend den Fall und die Morde und ihre Gefühle von Angst und Unzulänglichkeit.
»Hattest du weniger Panikattacken, seit du wieder hergezogen bist?«
Er schüttelt den Kopf und runzelt die Stirn.
»Im Gegenteil. Es fing an, als Graham starb, ist aber schlimmer geworden, seit ich hier rausgezogen bin.«
»Irgendeine Ahnung, woher das kommt?«
Nun schaut er sie direkter an, blickt ihr tief und unverwandt in die Augen.
»Ich habe Angst«, sagt er. »Das ist die Wahrheit. Ich habe solche Angst. Bin nicht bereit zu sterben.«
Preacher hatte recht. Er läuft vor dem Tod davon. Aber tun wir das nicht alle?
»Ich esse dies gekocht und jenes gebacken, ich nehme Vitamine, renn mir den Arsch ab, durchforste meine Bücher und den verdammten Kiefernwald nach dem Sinn des Lebens. Und lebe währenddessen irgendwie nur halb.«
Sie glaubt, dass noch kein Mann je so ehrlich zu ihr gewesen ist, und wahrscheinlich auch keine Frau.
»Es hat mich total fertiggemacht, Graham so jung sterben zu sehen. Ich … Ich bin noch nicht bereit. Ich habe noch nicht genug aus meinem Leben gemacht.«
»Also bist du hier rausgezogen, um gar nichts zu machen.«
»Tut mir leid«, sagt er. »Ich weiß auch nicht, was mich treibt, dir meine sämtlichen Geheimnisse zu erzählen.«
»Du musst
Weitere Kostenlose Bücher