Glutopfer. Thriller
benutzt, ist jetzt aber bis auf eine einzelne Bahre in der Ecke leer.
Mit dem Rücken zur Wand lässt Steve den Strahl der Taschenlampe durch den Raum gleiten, über Tresen und Becken, die anderen Wände entlang. An der Stirnseite befinden sich links und rechts je eine Tür, und hinter beiden öffnen sich dunkle, leere, mit Teppichboden ausgelegte Korridore. Zu seiner Linken sieht er durch einen Torbogen in der hinteren Ecke einen weiteren Raum mit einem großen Gegenstand aus Stahl, der den Strahl seiner Taschenlampe reflektiert.
Weil er annimmt, dass dort das eigentliche Krematorium ist, geht er ganz langsam an der Wand entlang darauf zu und wundert sich, wie viel Angst er hat. Es ist unheimlich hier, aber daran liegt es nicht. Es liegt an dem Wissen, dass er nicht allein ist. Na ja, er weiß es eigentlich nicht, aber er glaubt es.
Als er den Raum betritt, sieht er, dass die Tür zum Krematorium offen steht. In seiner Aufregung stürzt er darauf zu und blickt hinein. Ein unbedachter Schritt, der ihn das Leben kostet.
Etwas bewegt sich. Dann geht alles sehr schnell.
Wirbeln.
Heller Lampenstrahl. Überbelichtet.
Angst.
Geistergesicht.
Zuschlagen. Zustechen.
Lichtblitz und Hitze in seine Netzhaut gebrannt.
Quälend. Grauenhaft.
Er schießt, doch die Kugel prallt an der gemauerten Wand hinter dem Angreifer ab. Dann spürt er ein sengendes Schlitzen, Reißen von Fleisch, als das lange Metall immer wieder hineingestoßen wird, dann der Schock, er kippt rückwärts auf die Platte, wird in das Krematorium geschoben, dann nichts.
»Warum benutzt er unter anderem Treibstoff für Züge als Brandbeschleuniger?«, fragt Sam. »Das ist ziemlich auffällig, stimmt’s?«
»Höchst auffällig«, sagt Lars Darcy, der Profiler vom FDLE . »Er hat ihn mitgebracht, stimmt’s? Am Tatort gab es keinen.«
»Stimmt.«
Sam telefoniert mit dem Handy, als sie das Jordan’s betritt, ein kleines Café in der Innenstadt von Bayshore. Obwohl ein Schild besagt, dass man einen Platz zugewiesen bekommt, setzt sie sich eigenständig an einen Tisch vorn neben dem Tafelglasfenster, mit weitem Blick auf die Main Street. Sie möchte für sich sein, und dort sitzt niemand in ihrer Nähe. Sie ist gekommen, um rasch eine Kleinigkeit zu essen, bevor sie zurück in ihr Büro geht – an einen Schreibtisch im Aktenraum, den Gibson ihr überlassen hat.
»Der ausgewählte Ort bekommt dadurch noch größere Bedeutung«, sagt Lars. »Durch ihn lassen sich die Gleise und das Depot mit der Tat verbinden. Es hat mit einem Zug zu tun. Vielleicht ist es so simpel wie die letzte Reise des Opfers – er schickt sie auf eine Zugfahrt zur Hölle –, oder es ist so kompliziert, dass wir es uns nicht mal im Ansatz vorstellen können.«
»Was ist davon zu halten, dass er dem Opfer Sachen weggenommen hat, bevor er es verbrannte, und dass sie dort so herumlagen?«
»Auch das hat etwas zu bedeuten, würde ich sagen. Ich bin sicher, dass es in seinem Kopf eine Verbindung zu dem gibt, was er da tut, dass es sich in irgendeiner Weise darauf bezieht – zum Beispiel, die Sachen sind dort, wo du hingehst, nicht erlaubt. Oder so ähnlich. Es kann natürlich alles Mögliche sein. Ich sage nur, es hat eine Bedeutung für ihn und ist eine Botschaft an uns.«
»Was soll ich machen?«
»Lassen Sie sich von Daniel helfen. Ich habe schon mit ihm gearbeitet. Er ist gut – und nicht nur, was das Religiöse betrifft. Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, hat er gerade auch noch forensische Psychologie studiert. Ich würde über Züge und Depots und Gleise recherchieren. Was ist mit dem Tatort? Waren Sie noch mal da?«
»Bis jetzt nicht.«
»Sie müssen zum mutmaßlichen Zeitpunkt des Todes hingehen«, sagt er. »War es nachts?«
»Ja.«
»Nehmen Sie jemand mit.«
Plötzlich wünscht sie sich, sie wäre mit dem Steroidbolzen Steve anders umgegangen.
»Versuchen Sie, den Ort mit seinen Augen zu sehen. Erfassen Sie alles. Was sticht hervor? Er hatte einen Grund, als er diesen Ort ausgewählt hat – wahrscheinlich mehrere Gründe. Schauen Sie genau, ob Sie die erkennen können. Prüfen Sie, ob er noch mal da gewesen ist. Hat er etwas zurückgelassen, etwas mitgenommen?«
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich habe Brian gegenüber erwähnt, was du mir erzählt hast«, sagt Ben.
Er und Daniel sitzen an einem Tisch ziemlich weit hinten im Jordan’s. Im Kontrast zu Daniels gesundheitsbewusster Wahl türmen sich auf Bens Teller frittierte
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