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Glutopfer. Thriller

Glutopfer. Thriller

Titel: Glutopfer. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lister
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dich nicht entschuldigen. Deine Ehrlichkeit ist erfrischend.«
    Sie denkt daran, wie verschlossen, verkrampft und emotionslos Stan ist.
    Sie schweigen eine Weile.
    »Die Techniker haben alles bestätigt, was der Mörder dir gesagt hat. Das Blut ist nicht echt, Kerzen und Benzin sind gestohlen, und das Handy gehört der Frau, die in dem Geschenkeladen im Flughafen von Bay County arbeitet.«
    Er nickt.
    »Meinst du, er hat Ben nur genommen, weil er dein bester Freund ist? Kein anderer Grund?«
    »Zum Beispiel?«
    »Wenn ich das wüsste, würde ich nicht fragen.«
    »Da muss ich überlegen. Ich bin davon ausgegangen, dass nur unsere Verbindung ausschlaggebend war.«
    »Ich dachte bloß, da wir nicht wissen, wer die anderen Opfer sind, hilft er uns vielleicht, ein Opferprofil zu erstellen.«
    »Schon möglich.«
    »Vielleicht führt es zu nichts«, sagt sie. »Aber auf jeden Fall ist es unheimlich, dass er so viel über dich weiß.«
    Er nickt.
    »Ich versuche, nicht daran zu denken.«
    »Er scheint etwas mit dir vorzuhaben«, sagt sie, »also bist du wohl vorläufig in Sicherheit, aber aufpassen musst du trotzdem. Und wenn wir ihn nicht bald fassen, sollten wir dir wohl Personenschutz geben.«
    »Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du bei mir übernachten willst?«
    Sie lächelt.
    »Knapp daneben ist auch vorbei.«
    »Die große Frage, die nie beantwortet worden ist und die ich trotz dreißig Jahre langem Forschen in der weiblichen Seele nicht habe beantworten können, ist die: Was will das Weib?«
    »Dreißig Jahre? Ist das nicht vielleicht ein bisschen übertrieben?«
    »Das ist von Freud.«
    Sie lächelt.
    »Irgendwie kenne ich das von dir.«
    »Was denn?«
    »Dass man dauernd irgendwas nachschlagen muss.«
    »Tut mir leid«, sagt er. »Ich wollte nicht –«
    »Nein, mir gefällt das. Tja, ich muss dann mal los.«
    Als sie aufstehen, klingelt sein Handy.
    Sie will zahlen, doch er schüttelt den Kopf, lässt Geld auf den Tisch fallen und nimmt den Anruf an, als sie das Restaurant verlassen.
    »Ich störe doch nicht, oder?«
    Eine andere Nummer, aber wieder die digital verfremdete Stimme. Daniel gibt Sam ein Zeichen.
    »Gar nicht«, sagt er. »Ich hatte gehofft, dass Sie anrufen.«
    »Du sollst nur wissen, dass du nach heute Abend noch mehr Schrift an der Wand zu lesen haben wirst.«
    »An welcher Wand?«
    »Die solltest du wohl selbst finden, oder?«
    »Ist das alles?«
    »Vorläufig«, sagt er und beendet das Gespräch.
    »Du gehst wirklich gut mit ihm um«, sagt Sam. »Ganz natürlich – und du streichelst sein Ego, ohne herablassend zu klingen.«
    »Ich will mehr tun. Lass mich dir helfen. Was kann ich tun?«
    Sie überlegt, verzieht die Lippen dabei.
    »Geh heute Nacht mit mir joggen.«

19
    Die Nacht ist kaum kühler als der Tag, aber weniger feucht, eine sanfte Brise rauscht in den Bäumen und weht durch den langen, schmalen, natürlichen Tunnel, der die Gleise umgibt. An dessen Ende steht dicht über dem Horizont ein hellbraun getönter Vollmond, der Schatten wirft und dort, wo er durch Äste scheint, den Boden mit komplizierten Mustern überzieht. So tief hängt das wankelmütige Gestirn, dass die Gleise dort zu enden scheinen und als könnten die beiden Läufer es erreichen, würden sie nur weit genug laufen, ehe der Morgen anbricht.
    Nach ungefähr einer Meile finden Sam und Daniel einen lockeren, angenehmen Rhythmus, gleichen sich an und gleiten dann mit synchronen Schritten an den Gleisen entlang.
    Beim Laufen spürt Sam, wie die Anspannung des Tages und der Stress der Ermittlungen in ihr zerfallen und schwinden, als würde sie all das buchstäblich ausschwitzen.
    Sogar im Licht des Vollmonds haben die Gleise und die Wälder, die sie umgeben, etwas Unheimliches, und sie fragt sich, ob das so ist, weil sie um das Grauen weiß, das sich hier abgespielt hat.
    »Ich bin noch nie nachts hier draußen gelaufen«, sagt Daniel. »Jetzt weiß ich auch, warum.«
    »Belastet es dich?«
    »Ein bisschen, ja.«
    Sie lacht. Seine Ehrlichkeit und sein Mangel an falschem Draufgängertum ist eine angenehme Abwechslung zu den meisten Männern, die sie kennt. Weder hat er etwas Feminines, noch ist er ein Macho, und sie hat bei ihm noch nie das Gefühl gehabt, er müsste sich etwas beweisen.
    »Es beunruhigt mich mehr, als ich dachte«, sagt er. »Dar­an ist bestimmt meine Phantasie schuld, aber es kommt mir vor, als wäre hier irgendwas. Fast so, als läge die Gewalttätigkeit noch in der Luft.«
    Sie nickt und findet

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