Glutroter Mond
Holly mir zunächst entwischt ist und ich sie wieder einfangen musste. Er wäre nur ausgerastet, weil es ein großes Risiko ist, unbewaffnet in der Umgebung umherzuwandern. Unser Standort muss geheim bleiben. Zwar liegt das Quartier sehr abgelegen abseits des Highways, aber in letzter Zeit wurden immer wieder V23er auf Streife in der Nähe beobachtet. Sie hassen uns wie nichts auf der Welt und haben es sich zum Ziel gesetzt, uns auszulöschen. Undankbares Pack. Immerhin gäbe es sie ohne uns und unser Blut gar nicht. Verfluchter Fortschritt. Vor ein paar hundert Jahren wären derartige genetische Experimente noch undenkbar gewesen. Wie ich diese Zeit geliebt habe! Inzwischen existiert dieses Volk schon in der dreiundzwanzigsten Variante, deshalb V23. Dreiundzwanzig Mal haben sie seit dem großen Krieg zwischen versucht, ihr Blut zu verbessern.
Unser
Blut zu verbessern, um genau zu sein. Mehr oder weniger mit Erfolg. Jedenfalls reagieren sie nicht mehr auf Wasser wie auf Säure. Auf dem blauen Planeten eine durchaus nützliche Verbesserung. Zumindest haben sie es bislang nicht geschafft, unsere enorm frühe Sterblichkeit zu bezwingen. Sie sind diesbezüglich immer noch genauso verflucht wie die Acrai, aus denen sie hervorgegangen sind. Eine schöne Genugtuung. Hätten die Acrai nur nie damit angefangen, sich aus ihrem Blut verbesserte Menschen zu züchten, hätten diese nie gegen ihre eigenen Schöpfer rebellieren und die Herrschaft an sich reißen können. Nun, jetzt haben wir nun einmal den Salat und müssen es ausbaden.
Layton funkelt mich mit einem Blick an, als zweifelte er an meinem Verstand. Ich gebe nichts darum, was dieser Wichtigtuer von mir denkt. Ich würde ohnehin lieber allein leben, wenn es im Quartier nicht sicherer gewesen wäre.
»Ich habe noch einmal nachgedacht«, presst er durch seine Zähne hindurch. Es scheint, als fiele es ihm schwer, weiter zu sprechen. »Die Maschine war weder kaputt, noch habe ich einen Fehler gemacht. Das Mädchen lässt sich nicht als Spenderin benutzen. Kann doch sein, oder? Immerhin wissen wir nicht genau, was die V23er in ihrem Labor für Experimente mit den Menschen treiben. Vielleicht ist sie eine Mutation, oder sie haben damit begonnen, absichtlich Menschen zu züchten, die keine Emotionen übertragen.«
Ich schüttele vehement den Kopf. »In Manhattan leben ganz normale Menschen. Sie rekrutieren sich gelegentlich welche aus ihren Reihen, die ihnen für ihre Experimente geeignet erscheinen. Manhattan ist nur eine Brutstätte für ihren Nachwuchs. Ich denke nicht, dass die V23er Zeit und Arbeit investieren, um solche Mutationen zu erzeugen.« Zumindest hoffe ich das. Mich diese Worte sprechen zu hören, beruhigt mich, denn ich merke, dass meine eigene Überzeugung ins Wanken gerät. Layton muss sich einfach irren.
»So lange sie die einzige Ausnahme bleibt, möchte ich das gerne glauben«, sagt Layton. »Trotzdem sehe ich keinen Sinn darin, sie länger zu behalten als nötig. Mag sein, dass es eine natürliche und zufällige Mutation war. Aber sie macht das Mädel unbrauchbar. Entsorge sie.«
Das Wort klingt, als hätte Layton mich gebeten, den Müll im Wald zu verbrennen. Wir benutzen diesen Ausdruck zwar immer, aber irgendwie erscheint er mir mit einem Mal seltsam unpassend.
Ich nicke. »Was ist mit dem Jungen?«
»Der ist morgen dran. Für heute ist mir der Appetit ohnehin vergangen.« Layton macht auf dem Absatz kehrt und geht den Flur entlang in Richtung der Tür, die zum Korridor zu unseren Privatgemächern führt. Unwillkürlich seufze ich. Ich bin froh, dass er sich beruhigt hat und mich endlich in Frieden lässt. Ich hasse Layton. Er würde jeden seiner Mitbewohner töten, wenn es ihm einen Vorteil einbrächte. Eigentlich wie jeder Acrai, einschließlich mir. Doch an Layton verabscheue ich diese Eigenschaft am meisten. Vielleicht, weil er mir als einziger hier gefährlich werden und mir meinen Rang streitig machen könnte.
Erneut drücke ich meine Hand gegen die Zellentür und lasse sie aufschwingen. Holly springt sofort auf, sie hatte sich im Sitzen mit dem Rücken gegen die Wand gepresst und die Beine angezogen. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie mich an.
»Kannst du mich nicht einmal ein paar Minuten in Ruhe lassen?!« Ihre Stimme kippt. Ich weiß, dass sie das nur aus Trotz sagt, um sich nicht die Blöße geben zu müssen, sich einzugestehen, dass sie mit ihrer Situation hadert.
»Ich habe es mir eben anders überlegt. Komm heraus.« Ich
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