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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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jemand nach uns suchen wird. Zum Glück bin ich eine trainierte und schnelle Läuferin, sogar nach den Tagen in meiner Zelle. Der menschliche Körper ist zu Unglaublichem fähig, wenn er Todesangst empfindet.
    Meine Lungen brennen, meine Füße wirbeln Staub auf. Diese Gegend ist öde, tot, staubig und verdorrt. Ich weiß überhaupt nicht, wohin ich flüchten soll, denn ich bin bereits verloren. Man kann sich nicht verstecken. Tief in meinem Inneren ist mir bewusst, dass meine Freiheit nur von kurzer Dauer sein kann. Schon höre ich Cades schnelle Schritte hinter mir. Auch er scheint ein guter Läufer zu sein. Wie kräftig er ist, hat er mir bereits eingehend demonstriert.
    Ich sehe meine einzige Chance in der Unvorhersehbarkeit meiner Richtung, weshalb ich damit beginne, Haken zu schlagen. Über totes Holz, abgestorbene Wurzeln, Steine und Schuttberge springe ich hinweg. Eine Weile lang geht meine Taktik auf, doch einmal hat Cade das Glück, die Richtung zu erraten, die ich als nächstes einschlage, sodass er mir den Weg abschneidet und ich gegen seinen massigen Körper pralle. Es wirft mich zurück, rücklings auf den Boden. Mein Kopf schlägt auf, aber nicht so fest, dass der Knochen bricht.
    Ehe ich mich aufrappeln kann, um meine Flucht fortzusetzen, ist Cade über mir. Er drückt mich mit seinem Gewicht nieder. Ich schreie so laut ich kann, aber es ist niemand in der Nähe, der mich hören könnte.
    Ich schlage mit den Fäusten gegen seine Brust, versuche auch sein Gesicht zu treffen, aber er schafft es, mit nur einer seiner Pranken meine beiden Handgelenke zu umfassen und festzuhalten.
    »Beruhig dich«, knurrt er.
    Und tatsächlich gelingt es mir, zumindest meine Schreie einzustellen. Aber eher, weil ich außer Atem bin als wegen seiner Aufforderung.
    Cade macht keine Anstalten, sich von mir herunter zu bewegen. Aber er schlägt mich auch nicht. Scheinbar mühelos fixiert er mich, damit ich durch mein sinnloses Wehren an Kraft verliere. Den Gefallen tue ich ihm aber nicht. Vom Trotz gelenkt höre ich damit auf, meine Handgelenke losreißen zu wollen. Stattdessen bleibe ich reglos unter ihm liegen. Mein Atem geht schnell und flach, aber mein Herzschlag wird allmählich langsamer. Er sieht mir in die Augen, seine Stirn legt sich in Falten. Ich kann nichts aus seiner Mimik herauslesen. Er hat ein schönes Gesicht. Ich hasse mich dafür, dass ich so etwas überhaupt denke. Er ist ein Monster.
    Er ist mir so nah, dass sein Atem meine Wangen kitzelt, aber ich kann nicht den Hauch eines Geruches an ihm ausmachen. »Was bist du und was habt ihr mit mir vor?« Meine Stimme klingt dünn und gepresst.
    Cades Blick zuckt zu beiden Seiten, er beißt sich auf die Unterlippe, als wäre er sich nicht sicher, ob und was er sagen soll. »Die Maschine, die du gesehen hast, sichert unser beider Überleben. Ein Mensch stirbt auf diese Weise nicht, wenn wir uns von ihm nähren, und wir können effizienter mit unseren Nahrungsspendern umgehen.«
    »Nahrung? Was meinst du?«
    »Ich bin dir keine Erklärung schuldig. Es reicht, wenn du weißt, dass dein Leben nicht in Gefahr ist.«
    Allmählich schmerzen meine Beine, denn seine Knie bohren sich in meine Oberschenkel. Er lässt meine Hände los, weil ich keinen Druck mehr ausübe. Ich schlage nicht mehr nach ihm. Ich hoffe, er wird sich von mir herunter rollen wenn er merkt, dass ich mich gefügig zeige. Ich bin nicht sicher, ob ich wieder davonlaufen werde, sollte ich die Gelegenheit bekommen. Mein Verstand sagt mir, dass es keinen Sinn macht, doch der Instinkt kann manchmal stärker sein als der Verstand.
    Tatsächlich wuchtet er seinen Körper von mir herunter. Ich setze mich auf, doch mit einem Mal fühle ich mich so erschöpft, dass eine Flucht als Option ausscheidet. Ich kann einfach nicht mehr.
    »Was stimmt mit dir nicht, Mädchen?« Cades Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen als er mir eine Hand reicht, um mir beim Aufstehen behilflich zu sein. Widerwillig greife ich danach.
    »Ich heiße Holly, nicht Mädchen.«
    »Nun gut. Holly. Weshalb fließen keine Emotionen aus dir heraus?«
    Ich zucke nur die Achseln. Was ist das für eine blöde Frage! Als ob ich überhaupt eine Ahnung davon hätte, was heute mit mir passiert ist.
    »Es ist einerlei. Wir gehen jetzt zurück«, sagt er, als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkt. »Für heute ist es genug.« Er setzt sich in Bewegung, doch diesmal ohne meinen Oberarm zu packen. Ich lasse ihn ein paar Schritte vorgehen und

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