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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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aber in seinem Mund befindet sich nichts, das mich hätte treffen können.
    »Was willst du?«, krächzt er mich mit heiserer Stimme an. »Mich endlich töten? Oder zusehen, wie ich elendig verrecke?«
    In diesem Punkt ist ihm Holly voraus. Zumindest weiß sie bereits, was wir mit den Menschen anstellen, die wir gefangen halten. Es verschafft mir jedoch Genugtuung, ihn darüber nicht aufzuklären. Ich habe den Typen von Anfang an nicht gemocht. Ich frage mich, was Holly an ihm findet.
    »Deine Freundin verlangt nach dir. Den Rest lässt du dir am besten von ihr erklären.«
    Oder auch nicht. Denn wenn alles glatt läuft, sind beide tot, ehe er es erfahren wird.
    Neals Augen weiten sich, als ich Holly erwähne. Er steht mit einem Ächzen auf und kommt zur Tür.
    »Dann lass uns gehen«, sagt er.
    Hmm, das war ja einfach. Ich hatte mit mehr Gegenwehr gerechnet. Bedeutet ihm die Kleine so viel, dass er nach jedem Strohhalm greift, um sie noch einmal zu sehen? Mir versetzt es einen Stich, obwohl ich mir den Grund dafür nicht erklären kann.
    »Mach schnell.«
    Wir gehen den Gang zurück, die Treppe hinauf und in die Garage. Ich schließe auf, stoße Neal auf den Rücksitz und nehme hinter dem Lenkrad Platz. So schnell wie möglich starte ich den Motor und lege den Rückwärtsgang ein. Bloß weg von hier, bevor noch jemand sieht, dass Holly noch immer lebt.
    »Neal!« Holly klettert über die Mittelkonsole auf die Rückbank. Ich lasse sie gewähren, obwohl ich den Impuls unterdrücken muss, sie zurückzuhalten. Ich sehe in den Rückspiegel und beobachte, wie sie ihrem Freund um den Hals fällt. Er umarmt sie ebenfalls. Wie eklig.
    Ich fahre absichtlich schnell in eine Kurve, damit es die beiden zur Seite wirft und sie voneinander lassen müssen. Ich grinse in mich hinein, als Holly dabei einen spitzen Schrei ausstößt.
    »Wohin fahren wir?«, fragt Neal.
    Holly antwortet ihm nicht. Wie sollte sie auch. Sie weiß es selbst nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihm von unserer Abmachung erzählen wird. Die Platine gegen einen gemeinsamen Tod an der Seite ihres Freundes. Wie romantisch! Na ja, sie glaubt das jedenfalls. Für mich ist das kein Handel. Ich hätte Neal so oder so loswerden wollen.
    Ich fahre zurück zu der alten Tankstelle, an der ich Holly auch das letzte Mal schon umbringen wollte. Ich stelle den Motor ab und drehe mich langsam zu den beiden um, die mich erwartungsvoll ansehen.
    »Raus mit euch.« Ich entriegele die Tür. Wir steigen schweigend aus und bleiben neben dem Wagen stehen. In meiner Hosentasche steckt die Beretta, kühl und hart.
    Ich strecke Holly die Hand entgegen. »Gib mir die Platine. Es war so abgemacht.«
    Holly zieht sie mit zittrigen Fingern aus ihrer Hosentasche, Neal beobachtet gebannt jede ihrer Bewegungen.
    »Was geht hier vor?«, bellt er und schlägt gegen Hollys Hand. Die Platine fällt herunter, aber Neal fängt sie auf, ehe sie am Boden zerschellen kann. Für die Dauer eines Lidschlags durchfährt mich ein Schreck.
    Neal drückt das Teil an seine Brust, als wäre es das kostbarste, das er besitzt, dabei bin ich mir sicher, dass er keinen blassen Schimmer hat, was er Holly gerade aus der Hand geschlagen hat.
    »Neal! Es war eine Abmachung. Nur deshalb hat er dich hergebracht.«
    »Eine Abmachung?« Seine Stimme kippt. »Denk doch mal nach! Anscheinend ist ihm das Teil wichtig, und du denkst daran, fair zu spielen?« Er wendet sich an mich. »Lass uns gehen und ich gebe dir das Teil.«
    Beinahe lache ich laut los. Wenn ich wollte, könnte ich ihm die Platine entreißen und ihm in derselben Bewegung den Kopf abreißen. Undankbarer Idiot. Ich habe Holly einen letzten Wunsch erfüllen wollen und er verdirbt ihn. Sterben müssen sie so oder so.
    Ich ziehe meine Beretta und ziele auf seinen Kopf. Holly stößt einen Schrei aus. Ich versuche, ihn zu ignorieren, doch ich kann es nicht. Er geht mir durch Mark und Bein. Ich zögere. Eine Sekunde. Zwei. Drei. Je länger ich warte, desto schwerer fällt es mir. Ich befehle meinem Finger, den Abzug zu betätigen, aber meine Muskeln bewegen sich nicht. Wenn ich es schon nicht schaffe, diesen verhassten Kerl zu beseitigen - wie soll ich dann je Holly töten? Was ist mit mir los?!
    Die Entscheidung wird mir abgenommen, denn Holly stößt erneut einen Schrei aus. Diesmal allerdings nicht wegen mir. Hinter dem verfallenen Kassenhäuschen der Tankstelle springen mehrere schwarz gekleidete Gestalten hervor. Scheiße. V23er.

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