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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Einzelteile für eine Platine. Die Arbeit kann Wochen dauern.«
    »Wo willst du die hernehmen?«
    »Es gibt noch Städte in New Jersey, die von Menschen bewohnt werden, die nicht in einem Rattenkäfig der V23er leben.
Stadt
ist eigentlich auch keine treffende Bezeichnung,
Dorf
trifft es eher. Ich könnte versuchen, an neue Materialien zu gelangen. Ich mache mir ehrlich gesagt wenig Hoffnung.«
    »Dann gehst du in so eine Stadt?«
    »Bleibt mir etwas anderes übrig?«
    »Ich komme mit.« Ich höre mich diese Worte sprechen und fühle mich dabei mehr als verwegen. Ich folge meinem ehemaligen Entführer freiwillig, nur um dem zu entkommen, was einst mein größter Wunsch gewesen war. Absurd!
    »Also schön. Aber mach mir keinen Ärger.«
    »Hilfst du mir anschließend, nach Neal zu suchen?«
    Cade knurrt. Diese Eigenschaft hat er durch seine wundersame Veränderung anscheinend nicht verloren. »Wir machen es, wie ich es vorgeschlagen habe: Ich Bringe dich nach Manhattan zurück und dort sehen wir weiter. Vielleicht ist dein Freund schon zurück.«
    Mein Herz klopft schneller. Mit dieser Lösung bin ich zufrieden. Ich habe so sehr gehofft, dass er mir helfen würde. Ich kann es mir nur schwer eingestehen, aber nicht nur Cade hat eine Veränderung mitgemacht. Auch ich fühle etwas in meinem Bauch kribbeln, das ich zuvor nicht kannte.
    Cade öffnet die Autotür und lässt mich auf den Rücksitz klettern. Er selbst setzt sich auf den Fahrersitz. Am Himmel steht ein sichelförmiger Mond, die ersten Sterne tauchen auf. Während Cade aus dem Fenster sieht und seinen Gedanken nachzuhängen scheint, übermannt mich der Schlaf.
    ***
    Ich werde vom stetigen Rumpeln und Schaukeln des Wagens wach, als Cade durch ein Schlagloch fährt. Ich fahre mit einem Ruck hoch. Inzwischen ist es wieder Tag. Dichte Wolken türmen sich über uns. Wir befinden uns auf einer Straße, die tiefe Risse aufweist. Rechts und links wird sie von Häusern gesäumt, die zwar in einem ebenso schlechtem Zustand wie der Asphalt sind, jedoch bewohnt aussehen. Vor manchen der zerschlagenen Fensterscheiben flattern Laken, auf den Balkonen erspähe ich gespannte Leinen, über die Wäschestücke hängen. Zum Trocknen? Ich kenne so etwas nicht. Ich habe auch schon einmal meinen Anzug auf einer Leine trocknen müssen, weil ich versehentlich in den East River gefallen bin, aber für gewöhnlich geben wir unsere schmutzige Wäsche in der Stadt zum Reinigen in die Zentrale. Apropos ... Ich bräuchte dringend frische Kleidung, wie ich mit einem Blick an mir herab feststelle.
    »Wo sind wir hier?« Ich fahre mir mit den Fingern notdürftig durch das zottelige braune Haar, um es zu entwirren.
    Cade wirft mir durch den Rückspiegel einen Blick zu. »Auf der anderen Seite von Jersey City. Hier gibt es einen Park, von wo aus man die Freiheitsstatue noch besser sehen kann als von Manhattan aus. Aber das ist nicht unser Ziel.«
    »Freiheitsstatue?«
    Cade knurrt und schüttelt den Kopf. Ich ärgere mich darüber. Er weiß doch, dass ich von den Dingen außerhalb meiner Stadt keine Ahnung habe!
    »Die grüne Frau auf ihrem Sockel. Erzähl mir nicht, du hättest sie noch nie gesehen.«
    Er spricht von der grünen Dame. Natürlich kenne ich die. »Doch, die habe ich gesehen«, knurre ich.
    »Na also. Wir befinden uns auf der anderen Seite der Hudson Bay. Vielleicht hast du jetzt eine Vorstellung davon, wo wir sind.«
    »Und was ist unser Ziel?«
    »Das Hafenviertel. In Jersey City leben noch ganz vereinzelt freie Menschen, wie du an den bewohnten Häusern vielleicht schon erkannt hast. Sie ziehen ständig umher, damit die V23er sie nicht so leicht finden. Das ist in einer so großen Stadt nämlich nicht so einfach.«
    Cade biegt auf eine ziemlich breite mehrspurige Straße ein, die ein verblasstes Einfahrtschild als Highway 78 kennzeichnet. Ich komme indes aus dem Staunen nicht mehr heraus. Jersey City ist kein Dorf, wie Cade es bezeichnet hat. Auch hier gibt es verdammt hohe Häuser. Ich habe nie auch nur geahnt, dass es auf der anderen Seite der Barriere so etwas geben könnte. Es war die ganze Zeit so nah!
    »Weshalb bezeichnest du es als Dorf?«, frage ich nach. »Es ist unglaublich hier!«
    »Weil Jersey City tot ist. Eine Stadt besteht für mich nicht nur aus Gebäuden, sondern vor allem aus ihren Einwohnern. Die gibt es hier nicht mehr. Na ja, fast. Die wenigen hundert, die noch verblieben sind, wandern umher und bilden winzige Dörfer innerhalb des Waldes aus

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