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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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hatte.
    Die Sprechanlage summte.
    »Mr. Ivy, ich habe Bethany Graves auf Leitung eins.« Fast hätte Henry seine Sekretärin Bella gebeten, dass sie eine Nachricht hinterlassen sollte, aber dann überlegte er es sich anders.
    »Danke, Bella.«
    Henry holte tief Luft und griff zum Hörer. »Ms. Graves? Was kann ich für Sie tun?«
    Sie kicherte, und Henry wurde warm ums Herz.
    »Sie klingen wie … ein Schuldirektor«, sagte sie.
    Henry warf einen Blick zur geöffneten Tür hinüber. Bella telefonierte, wahrscheinlich mit ihrem Freund, einem jungen Mann, der gerade erst in den Polizeidienst eingetreten war. Bella hatte ihn über den Knochenfund nahe der Kapelle informiert. Die Kleine war fleißig und immer gut gelaunt, aber leider plapperte sie den ganzen Tag.
    »Entschuldigung«, sagte Henry und erlaubte sich zu lächeln, »ich freue mich schon auf heute Abend.«
    »Ich auch«, sagte Bethany. »Ich wollte nur kurz fragen, ob Sie gegen irgendwas allergisch sind. Oder ob Sie etwas überhaupt nicht mögen.«
    »Nein«, sagte er, »ich bin offen für alles.«
    Er verriet ihr nicht, dass er praktisch Vegetarier war und höchstens einmal im Monat Fleisch aß. Er mochte kein scharf gewürztes Essen, weil ihm dann der Schweiß ausbrach und sein Gesicht rot anlief, was ihn nicht gerade attraktiver machte. Er mied Milchprodukte. Von den meisten Weinsorten bekam er Sodbrennen. Aber Frauen mochten es nicht, wenn ein Mann sich wegen des Essens so anstellte.
    »Gut«, sagte sie, »Essen ist Leben!«
    »Wie wahr«, sagte Henry. Er mochte den Ausspruch.
    »Ich rufe Sie auch noch aus einem anderen Grund an.« Ihr Ton veränderte sich, klang plötzlich ernster. Er wappnete sich gegen die kommende Enttäuschung.
    »Ach?«
    »Kennen Sie Cole Carr näher?«, fragte sie. »Den Jungen, der neulich mit Willow im Wald war?«
    »Er ist neu an der Schule«, sagte Henry, »aber er macht sich gut. Seine Lehrer halten ihn für einen guten Schüler, wenn auch manchmal ein bisschen still und zurückgezogen. Wieso fragen Sie?«
    »Na ja, er hat Willow gestern Nachmittag versetzt. Sie waren verabredet, aber er ist nicht gekommen. Sie ist am Boden zerstört.«
    Henry starrte auf den Namen des Jungen, auf die beiden roten Kreuze daneben.
    »Ich wollte eben seine Eltern anrufen. Er war seit ein paar Tagen nicht in der Schule. Vielleicht ist er krank. Oder es gab einen Notfall in der Familie. Die Eltern haben sich noch nicht gemeldet.«
    Bethany schwieg.
    »Willow sagt, sie hätte ihn gestern in der Schule getroffen. Dort haben die zwei sich verabredet.«
    Henry hörte, wie besorgt und enttäuscht sie klang. Obwohl ihm klar war, dass er nichts damit zu tun hatte, fühlte er sich verantwortlich.
    »Mag sein, dass er in der Schule war, ohne in den Unterricht zu gehen«, sagte er. »Er hat ein eigenes Auto.«
    »Ja, so wird es gewesen sein«, sagte Bethany. Sie klang nicht überzeugt. »Sicher hat sie mich nicht angelogen.«
    Henry wusste, dass Willow es in der Vergangenheit mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte. Viele Teenager logen, besonders die Mädchen; es hob den Selbstwert. Normalerweise verwuchs es sich irgendwann.
    »Ich werde mich bei den Eltern melden«, sagte Henry. Er wollte, dass sie sich besser fühlte. »Ich gebe Ihnen dann sofort Bescheid.«
    »Okay.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Beth.« Es gefiel ihm, ihren Namen laut auszusprechen. Eine schreckhafte Sekunde lang fragte er sich, ob er anmaßend geklungen hatte, aber als Bethany antwortete, hörte er, dass sie ihm nicht böse war.
    »Sie sind ein lieber Mensch, Mr. Ivy«, sagte sie. Und seltsam, so, wie sie es sagte, tat es gar nicht weh.
    Jones hatte schon schlimmere Absteigen als das Regal Motel gesehen. Viele dieser Motels – triste, verlotterte, einstöckige Betongebäude in Hufeisenform – waren Nester der Kriminalität. In einem Zimmer Drogen, im nächsten Prostituierte. Erst kürzlich war ein ähnliches Etablissement ganz in der Nähe von The Hollows dem Erdboden gleichgemacht worden, als ein privates Meth-Labor explodiert war.
    Das Regal sah wenigstens von Weitem sauber und ordentlich aus, die Außenwände waren frisch gestrichen. Der Pool wirkte gepflegt, das Mobiliar war winterfest gemacht und abgedeckt worden. Die Büsche am Gehweg waren heruntergeschnitten. Jemand nahm sich die Zeit, das Motel in Schuss zu halten, was bedeutete, dass die Geschäftsführung ihre Gäste im Blick hatte. Das Schild hätte eine kleine Farbauffrischung vertragen können. Das G war

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